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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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ließ sich gegen Jan sinken, der sie fest umarmt hielt, weil er befürchtete, sie würde ihm sonst durch die Arme rutschen und auf den Boden gleiten. Julia krallte sich in sein Hemd und ließ die Tränen laufen. Einmal küsste er sie sogar auf die feuchte Wange – und tatsächlich hatte er das Gefühl, als würden ihre Tränen danach weniger heftig fließen.
    Endlich rappelte sie sich auf, schob Jan von sich, ohne sein Hemd loszulassen, und versuchte, ihre Wangen mit der Hand trocken zu wischen, was ihr gründlich misslang. »Wir müssen ihn finden. Wenn ich nur wüsste, wohin der Leu ihn gebracht hat«, sagte er.
    Wieder schluchzte Julia, doch diesmal riss sie Jan den Lumpen aus der Hand, als hätte er ihn ihr nie angeboten, und schnäuzte sich hinein. Jan war ein wenig verdattert, denn bislang hatte sie ihn immer von sich gewiesen.

    »Jaroslav!«, sagte sie nur und schniefte weiter.
    Zwar ging Jan dieses Geschnäuze allmählich auf den Geist. Aber dass Julia sich an ihm festhielt und sein Hemd so durchnässte, dass er ihre Tränen auf seiner Brust fühlte, fand er nicht unangenehm.
    »Wer ist das?«, fragte der Alchemist.
    »Der Scholar«, flüsterte Julia zitternd.
    »Welcher Scholar?«, bohrte der Alchemist nach. »Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!« Er hatte seinen Rundgang durch den Raum unterbrochen und sah die beiden an. »Kenne ich ihn?«
    Julia schüttelte den Kopf.
    »Nein. Aber er ist magisch begabt.«
    »Oha«, antwortete Magister Gremlin spöttisch. »Ganz erstaunlich. Von der Sorte laufen hier in Prag sicherlich zwei Dutzend herum. Jeder von ihnen ist irgendwie magisch begabt.«
    Julia schnäuzte sich noch einmal kräftig und ließ Jans Hemd los. Jan bedauerte das und hätte sie am liebsten wieder zu sich hergezogen, jetzt da sie nicht mehr heulte.
    »Er hat den Angriff des Leu auf Jan vorhergesagt. Selbst Rabbi Löw war da, um seine hellseherischen Fähigkeiten zu prüfen.«
    »Er kann hellsehen, sagst du? Und Rabbi Löw hat ihn sich angesehen? Interessant. Sehr interessant.« Er seufzte. »Es bringt mich dennoch keinen Schritt weiter.«
    »Wir könnten ihn fragen.« Julia hatte sich mittlerweile aufgesetzt. Sie schniefte zwar noch, doch der Tränenstrom war versiegt. »Er wohnt bei uns zu Hause.«
    »Wundervoll. Was tun wir dann noch hier?«, warf Jan ein, der endlich wieder das Gefühl hatte, er würde beachtet werden.
    Alle beide drehten sich zu ihm um, als hätte er die
dümmste Antwort des Jahrhunderts gegeben. Der Alchemist stemmte die Hände in die Hüften. »Hst d’ d’nn ke’n’n V’rstand unter de’ner Calotte, Söhnch’n? Wir können doch nicht einfach so hinausmarschieren und uns unter die Passanten mischen. Vielleicht erinnerst du dich an ein paar Kleinigkeiten, die vorgefallen sind: Contrario ist hinter uns her, der Kaiser ist hinter uns her, und vermutlich ist auch der Leu hinter uns her. Meine Zauberkunststückchen werden ihm wenig behagt haben.«
    Julia sah Jan eindringlich an, bis Jan begriff. Sie hatte den beinahe zahnlosen Alten einfach nicht verstanden. Jetzt musste er grinsen – und übersetzte kurz, was der Alchemist da so schnell dahergebrabbelt hatte.
    »Aber wir können auch nicht tatenlos hier herumsitzen und nichts tun!«, sagte Jan. Julia sah ihn an und lächelte. Es ging Jan durch und durch, als hätte sie ihm mit der Hand über die Wange gestreichelt.
    »Du hast recht. Messer Arcimboldo ist in Gefahr. Nur er kann uns sagen, wie Contrario diese Wesen schafft und wie sie zerstört werden können.«
    Der Alchemist verdrehte die Augen. »Kinder!«, rief er, doch Jan spürte, dass sein Widerstand nur noch Spiel war und er sich eigentlich nur überreden lassen wollte. Vielleicht war es jetzt an der Zeit, eine Frage zu stellen, die Jan schon lange auf der Zunge brannte.
    »Wie habt Ihr es geschafft, lebend aus dieser Hölle im Keller Eures Hauses herauszukommen?«
    Verblüfft sah der Alchemist Jan an. Dann klarte sich sein Blick auf. Die Lachfältchen, die sich über die Jahrhunderte in seinem Gesicht angesammelt hatten, schienen hervorzukriechen und die Mimik beinahe ganz verschwinden zu lassen.
    »Du spielst wohl darauf an, dass ich dir einen Gefallen schulde«, sagte Magister Gremlin und grinste.

    »Einen Gefallen?« Jan sah ihn verblüfft an. »Aber wieso denn? Ich wüsste nicht …«
    »Ach«, unterbrach ihn der Alte. »Jugend kann auch bescheiden sein. Das ist schön. Schließlich warst du es, der mir einen der drei Tiegel mit Arcanum

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