Haus der roten Dämonen
Ohrensteinbruch lieferte – und schmatzte dabei genüsslich. »Man könnte süchtig werden«, murmelte er.
Sie packten zusammen, was sie womöglich gut gebrauchen konnten: Seil, Hammer, Zange.
Der Alchemist trat vor das Haus und prüfte, ob die Luft rein war. Aber bis auf den Kohlegeruch der Heizungskamine war draußen nichts los. Die Menschen hatten Angst.
Plötzlich stockte Jan. »Ich habe noch ein Problem, das wir zuvor lösen müssen.«
In drei, vier Sätzen erzählte er von Messer Mont und Jakub im Kerker und davon, wie er die beiden zurückgelassen hatte. Der Alchemist, der vorhin so aufgedreht gewesen war, als hätte er ein Uhrwerk verschluckt, legte Jan eine Hand auf die Schulter.
»Hör zu, Junge. Das erledige ich. Ihr geht zu Jaroslav. Wir treffen uns bei Julias Vater und der Brauerei. Womöglich verlassen den Jungen ja seine hellseherischen Fähigkeiten, wenn ich auftauche.« Er grinste erneut und zwinkerte Julia zu, die gerade etwas sagen wollte. Dann huschte er, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, in Richtung des Kerkers davon.
Jan und Julia blieben zurück. »Woher weiß er, wo ich wohne? Ich habe mit keinem Wort erwähnt, dass mein Vater Brauer und Schankwirt ist.«
Jan zuckte mit den Achseln. War das im Moment wichtig? Er hielt Julia an der Hand und sie war in seiner Nähe. »Komm. Das klären wir später.« Er fasste Julia fester bei der Hand. Sie zog die ihre nicht zurück und Hand in Hand liefen sie die Goldene Gasse hinab. Jan hoffte, sie würden diesmal von der Zeitblase verschont bleiben. Tatsächlich war nichts zu spüren, nichts kam ihm komisch vor und sie erreichten das Tor am hinteren Gassenende. Dort standen zwar Wachen, doch die kontrollierten die Hereinkommenden, nicht die Hinausgehenden. Beinahe unbemerkt schlüpften sie durch das erste und danach durch das zweite Tor, vorbei am schwarzen Turm, hinaus auf die Bastei und waren auf der Schlossstiege, bevor jemand sie aufhalten konnte.
Jan fühlte die weiche Haut von Julias Händen, die so ganz im Gegensatz zu seinen rauen Fingern stand. Nebeneinanderher rannten sie und lachten, während sie, wie von
einem Geschoss getragen, die Treppenstufen hinabjagten. Am liebsten hätte Jan gejuchzt.
»Hast du den Uschebti noch?«, fragte Julia.
Jan nickte. »Und du, kennst du den Zauberspruch noch?«
Auch Julia nickte, und dann liefen sie weiter, getragen von einer Woge aus Glückseligkeit. Jan blickte zu Julia hinüber, und die schaute ihn an mit Augen, in die er sich gerne hätte fallen lassen. Einmal wäre er beinahe gestolpert – doch Julia hielt ihn und schickte ein Lachen in die Luft, das sich anhörte wie das Gezwitscher der Lerchen.
Von der alten Stadt herüber klangen die Glocken der Türme und ihr Geplapper wurde von den Glocken der Kleinseite beantwortet. Jan störte nur das Fehlen der Rathausglocke, die all diesen vielstimmigen Kirchenklängen hätte vorausgehen und sie in eine Ordnung zwängen müssen.
Atemlos langten sie unten auf der Kleinseite an. Über ihnen ragte die Burg empor, vor ihnen dräute düster das Wasser der Moldau. Dazwischen lagen Häuser, Paläste und Kirchen. Die Karlsbrücke überspannte den Strom mit der Würde eines alten Herrn und glänzte in ihrer dunklen Schönheit. Die Tore auf beiden Seiten wirkten wie riesige Wächter. Sie blieben beide kurz stehen und betrachteten die Szenerie, als suchten sie darin etwas – und tatsächlich fand Jan eine Chiffre, die ihn schmerzte: das ausgeschlagene Brückengeländer. Auch Julia schien von dem Anblick entsetzt zu sein, denn sie löste ihre Finger von den seinen und schüttelte fassungslos den Kopf. Dann folgten sie beide der Spur der Zerstörung.
»Die Fährte des Leu!«, sagte Julia und deutete auf eine breite Gasse der Verwüstung. »Sie führt direkt zu unserem Haus. Womöglich steht es nicht mehr – und Vater …«
Sie stockte. Als wäre damit der Zauber verflogen, der sie
eben noch umgeben und zusammengeführt hatte, kühlte die Luft ab und ein leichter Wind kam vom Wasser her auf. Eben hatten sie noch eng aneinander gelehnt gestanden – und plötzlich wichen sie beide scheu voreinander zurück.
»Jaroslav!«, sagte Julia nur und vertrieb damit die Stille. »Wir sind zu weit unten herausgekommen. Wir müssen noch ein Stück aufwärts«, betonte sie und machte sich auf den Weg.
Jan sah ihr nach. Ein Kloß hing in seiner Kehle. Sie hatte sich nicht einmal umgesehen, ob er ihr folgte. Die Sorge um ihre Eltern musste sie schwer belasten.
Jan
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