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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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und schloss die Augen.
    Jan wirkte wie erstarrt. Wieso gelang dem Adlatus so etwas? Warum tat er das? War er, wenn er die Tiere zum Leben erweckt hatte, auch deren Herr? Folgten sie seinen Befehlen? In einem gewissen Ausmaß bestimmt, denn der Leu hatte ja Messer Arcimboldo mitgenommen und vermutlich im Turm der Teyn-Kirche festgesetzt. Also gehorchte er Contrario.

    »Warum hat er die beiden aufeinander gehetzt?«, fragte Julia, die offenbar dasselbe dachte wie er. »Und jetzt sind sie wie Schoßhunde.«
    Jan deutete auf die geöffneten Fenster ringsum, aus denen die Haarschöpfe ihrer Bewohner lugten. »Sie schauen ihm zu. Das, was ihre Augen sehen, wird sich wie ein Lauffeuer in der Stadt verbreiten. Schneller, als die Chimäre fliegen kann.«
    Im selben Augenblick schnippte Contrario-Buntfinger mit den Fingern, jedenfalls schien es aus der Entfernung so. Die Chimäre flog auf, verharrte einen Moment flügelschlagend in der Luft, bis der Adlatus mit ausgestrecktem Arm einen Kreis in die Luft zeichnete. Dieser Bewegung folgte das Untier. »Contrario zeigt den Menschen, wie gut er mit den Dämonen umgehen kann.«
    Dann deutete er auf ein Gebäude auf der Kampa-Insel. Die Pantherchimäre ließ ein hohes Zischen hören, stieg höher in die Luft und stieß mit ausgestreckten Fängen auf das bezeichnete Gebäude herab. Es war eine Mühle, deren Rad sich längst nicht mehr drehte, weil sie baufällig und schief auf dem Sand der Kampa-Insel saß. Seit Jahren stand sie angeblich leer. Doch Jan wusste, dass der alte Müller noch unterm Dach lebte. Jan kannte ihn gut. Manchmal hatte der alte Mann den Waisenhausjungen Geschichten erzählt, die meiste Zeit jedoch grübelte er über das Unglück nach, das ihn getroffen hatte, als beim letzten Hochwasser seine Frau und die beiden Mädchen in den Fluten ertrunken waren, mit denen die Moldau die Insel heimgesucht hatte. Die drei waren von den braunen Wassern fortgerissen worden, und er hatte zusehen müssen, wie sie in den Strudeln umkamen. Nicht einmal mehr die Leichen hatte man bergen können.
    Jetzt packte die Chimäre das Schöpfrad, riss es aus der Verankerung, hob es in die Lüfte und ließ es auf das Dach
des Gebäudes fallen. Die Strebebalken brachen und mit einer gewissen Verzögerung riss das Mühlenhaus in der Mitte auseinander und zerbarst in zwei Teile, deren wasserseitige Fassade wegkippte und in die Moldau stürzte.
    »Was tut es da?«, stieß Julia erschrocken hervor.
    »Es zeigt seine Macht. Oder besser: Contrario zeigt seine Macht!«, antwortete Jan. Er hatte Julia wieder in den Arm genommen und hielt sich an ihr ebenso fest wie sie an ihm. »Wir müssen unbedingt Messer Arcimboldo finden. Nur er kann uns sagen, was zu tun ist.«
    Nachdem das Mühlengebäude ganz ins Wasser gestürzt war und dabei vermutlich den alten Müller mitgerissen hatte, scheuchte Contrario-Buntfinger die Chimäre mit einer herrischen Bewegung davon. Das Tier stieg steil in den Himmel empor, bog dann zum Hradschin ab und verschwand aus dem Blick der Jugendlichen.
    Nun erst wandte der Adlatus sich dem Leu zu, der bislang ruhig dagelegen und das Schauspiel neugierig mitverfolgt hatte. Auch ihm befahl er, sich auf seine Beine zu erheben. Mit ausgebreiteten Armen redete er auf ihn ein, dann ging er von der Brücke. Der Leu trottete hinter ihm her, wie ein Hund hinter seinem Herrn herläuft, mit eingezogenem Schwanz und gesenktem Kopf. Nur dass es in diesem Fall drei Köpfe waren. Sie waren unterwegs zum Hradschin. Auf dem Weg zu Kaiser Rudolf II.
    »Was geschieht, wenn Contrario mit seinen beiden Kreaturen eine Audienz beim Kaiser verlangt?« Julias geflüsterte Frage brauchte keiner von ihnen zu beantworten. Die Antwort lag so offensichtlich vor ihnen, dass Jan darüber Bauchschmerzen bekam. Contrario-Buntfinger würde nicht dabei stehen bleiben, die Figuren für den Karnevalsumzug malen zu dürfen. Er würde weitergehen, viel weiter.
    »Wir haben soeben den neuen Kaiser gesehen«, flüsterte
Jan, »wenn es niemandem gelingt, diesen Adlatus aufzuhalten. Er will die Stadt, vielleicht ganz Böhmen.«
    »Er will den Erdkreis!«, zischte es neben ihnen.
    Jan fuhr herum. »Du? Was machst du hier?«
    Kithara saß hinter ihm und fuhr sich mit einer Pfote über seine Ohren und sein Gesicht.
    »Euch zu Messer Arcimboldo führen. Während ihr hier sitzt, euch im Arm haltet und euch dieses Schauspiel angesehen habt, bin ich dort gewesen, wo ich ihn vermutet habe, nämlich auf dem Turm der

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