Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
Vom Netzwerk:
blieb. Sie zog sich die Leiter empor. Schritt für Schritt kam sie der
Öffnung näher. Julia hatte das Gefühl, durch die Augen des Wesens sehen zu können. Dann durchstieß der Kopf die Deckenöffnung und ragte in die Glockenstube hinein. Seile baumelten dort von der Decke. Der Uschebti blickte hoch. Zwei Glocken hingen an kräftigen Aufhängungen über ihm. Die mächtigen Klöppel ruhten reglos in der Glockenform, die Seile waren an den Hebelenden der Glockenlager verknotet. Unter der größten Glocke stand ein Stuhl – und auf diesem Stuhl saß, mit dem Rücken zum Aufstieg, eine menschliche Gestalt.
    »Was ist? Was siehst du?«, drängte Jan. »Sag endlich etwas.«
    Kaum war das Rauchwesen halb durch die Deckenöffnung, als ein riesiges Messer wie eine Sichel über den Boden schabte und den Körper in der Mitte durchschnitt. Julia schrie kurz, doch dem Rauchwesen machte das nichts aus. Unbeirrt stieg es weiter.
    »Es war also doch eine Falle! Es hätte dich in der Mitte durchgeschnitten!«, triumphierte Julia.
    Jan brummte nur kurz.
    Der Uschebti-Dämon stapfte in die Glockenstube hinein.
    »Messer Arcimboldo?«, rief Julia. Doch die Gestalt vor ihr rührte sich nicht.
    »Siehst du ihn?«, drängte Jan.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Julia. Ihr war flau im Magen, seit das Messer durch die Figur hindurchgesäbelt war. Außerdem sah sie mit vier Augen. Einmal erstand die Glockenstube vor ihrem inneren Auge, zum anderen stand Julia hier eine Ebene darunter und unterhielt sich mit Jan. »Etwas stimmt nicht. Ich kann Messer Arcimboldos Gesicht nicht richtig erkennen. Als wäre er nicht echt.«
    Der Uschebti umrundete den Stuhl. Vor ihm saß tatsächlich
Messer Arcimboldo, ganz verkrampft und schief, als müsse er verhindern, nicht abzurutschen. Er war von den Strapazen schwer gezeichnet, grau, mürrisch und um Jahre gealtert.
    »Messer Arcimboldo!«, ließ sie den Rauchkörper sagen. »Messer Arcimboldo, hört Ihr mich?«
    Der Maler hob den Kopf nicht und sah auch das Rauchwesen nicht an. Gesicht und Körper wirkten wie verwischt, doch Julia schrieb dies der Unschärfe des Blicks zu, den sie durch die Augen des Uschebti hatte.
    Sie ließ den Uschebti umherwandern. Hier oben musste doch zu finden sein, was sie suchte.
    Messer Arcimboldo blieb starr sitzen wie eine Puppe. Und dann sah Julia, dass sie getäuscht worden waren. Messer Arcimboldo war nicht an den Stuhl gefesselt, obwohl Jaroslavs Vision ihnen das so vorhergesagt hatte. Das Wesen vor ihr war eine Chimäre. Mehr nicht. Ein Lockmittel, um Jan in den Turm zu holen.
    Julia beschrieb ihm, was sie dort oben in der Glockenstube sah, damit er erfuhr, was sie erfuhr.
    Die Turmuhr schlug dreimal und zeigte die Dreiviertelstunde an. Der gesamte Turm zitterte und die Schläge drangen bis in Julias Magen vor. In der Glockenstube begann alles zu wackeln und zu wanken. Sogar die Rauchfigur des Uschebti wurde durchgeschüttelt und verlor ihre Form. Julia bemerkte mit Schrecken, wie die Arme davonwehten und die Beine sich selbstständig machten. Krampfhaft versuchte sie, sich aufrecht zu halten, doch der Nachhall der Viertelstundenschläge verhinderte den Zusammenhalt des Rauchwesens. Ihr Blick dort oben in der Glockenstube wurde trüber und sie verlor den Maler aus den Augen. Sie starrte mit ihren eigenen Augen an die Deckenwand – und plötzlich sah sie alles ganz klar! Dicht neben der obersten
Leitersprosse entdeckte sie, was sie die ganze Zeit über beunruhigt hatte.
    »Jan! Dort!« Julia zeigte auf eine Stelle an der Deckenwand.
    Jetzt blickte auch Jan hoch – und pfiff leise durch die Zähne. »Es ist das Zeichen Messer Arcimboldos!«
    »Was hat das zu bedeuten?« Jan stieg die Leiter ein kleines Stück nach oben und betrachtete sich das Zeichen genauer.
    »Sie ist nicht echt, diese Turmstube.« Julia flüsterte nur noch. »Sie ist gemalt. Folglich ist sie ein Dämon wie die Höhle und tatsächlich …«
    Jan kletterte langsam wieder die Treppe hinab, und Julia entdeckte erneut etwas, was ihnen schon zuvor hätte auffallen müssen. Das Holz war nicht grau verwittert, es schimmerte rötlich.
    »Eine Falle. Eigentlich nur ein Gemälde, das diesen Durchstieg zur Glockenstube zeigt. Aber Contrario hat dieses säbelnde Messer mit eingezeichnet!«, flüsterte Jan.
    Er ging auf Julia zu und blieb vor ihr stehen. »Du hast gewonnen«, sagte er nur, dann nahm er ihren Kopf in beide Hände, und sie ließ es zu, dass er sie küsste, lange küsste. Als sie sich wieder

Weitere Kostenlose Bücher