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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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dieser Welt zu lernen und dich darin zurechtzufinden. Du bist in sie hineingewachsen und konntest Gutes und Schlechtes darin kennenlernen. Wir sind Geschöpfe einer Woche oder eines Monats und besitzen gerade so viel Erfahrung, wie uns unser Schöpfer mitgegeben hat. Es ist entsetzlich wenig, glaub mir.«
    Jan schwieg, presste die Lippen aufeinander und schien wie abwesend.
    »Wo, glaubst du, sind die Bilder versteckt?« Julia übernahm wieder die Führung. »Wir müssen es wissen.«
    Kithara wandte ihr müde sein Haupt zu. Julia konnte sehen, wie die Pfote des Katers gänzlich abfiel und wie sein Körper immer mehr helle Stellen zeigte, als würde er langsam durchsichtig.
    »Es wird nicht mehr lange dauern. Die Zeit …«, brachte er müde hervor und schloss die Augen. »Sie liegen im …« Mehr brachte der geschwächte Körper nicht mehr zustande. Kithara verstummte.
    Als würde jemand über einer beschriebenen Schiefertafel einen nassen Schwamm ausdrücken und so die Schrift löschen, wurde Kithara immer schlieriger und durchsichtiger. Der Kater löste sich auf und verschwand schließlich völlig. Zurück blieb nichts als eine Erinnerung an die schimmernden Augen des Tieres.
    Ein Blitz riss die beiden aus ihrer Trauer. Der nachfolgende Donner ließ die Turmstube erzittern. Jan fasste sich als Erster. Der Regen rauschte noch einmal stärker auf.
    »Wir müssen weg hier, sonst werden wir von den Blitzen noch gebraten.«
    Julia nickte und so schlichen sie sich die Treppen hinunter.
Julia eng an die Wand gedrückt, denn Donner und Wind und das Rauschen des Regens machten die geländerlosen Treppen zu einem Albtraum. Sie musste mit jedem Schritt dagegen ankämpfen, nicht an den Rand der Stufe zu treten und nach unten zu schauen.
    Jan hielt sie an der Hand und führte sie, eng an sich gepresst, hinunter. Seine Sicherheit tat ihr gut. Doch erst als sie den steinernen Wendelgang erreicht hatten, atmete sie auf. Jetzt konnte ihnen nicht mehr viel passieren.
    »Wohin sollen wir gehen?«, fragte Jan.
    »Zu Rabbi Löw!«, antwortete sie mit klappernden Zähnen. »Er kann uns helfen. Er weiß, wie mit Magie umzugehen ist.«

26
    Entführung
    K aum hatten sie die Kirche verlassen, wurden sie auf Schritt und Tritt verfolgt. Sie traten zwar auf einen menschenleeren Platz hinaus, doch sie fühlten die Bedrohung beinahe körperlich. Das Klacken scharfer Krallen hallte durch die Gasse neben der Teyn-Kirche und wurde von den eng stehenden Wänden zurückgeworfen und verstärkt. Schleichende Tatzenschritte ließen sich durch das Rauschen des Regens vernehmen, ein Patschen hier und ein Schnauben dort sagten ihnen, dass sie nicht allein waren.
    Nur die Bewohner hatte der heftige Regen in die Stuben getrieben, der Regen und die unheimlichen Wesen, die durch die Gassen schlichen.
    »Du hast recht. Wir müssen ins Judenviertel«, flüsterte
Jan. »Der Rabbi ist im Augenblick vermutlich der einzige Mensch, der uns weiterhelfen kann.«
    Julia und Jan fassten sich bei den Händen. Zur Judenstadt waren es vielleicht zehn Minuten oder eine Viertelstunde Weg. Jan hoffte, dass sie es in dieser Zeit schaffen würden.
    »Jetzt!«, rief Julia, und da rannten sie auch schon beide aus der Teyn-Schule, die der Kirche vorgelagert war, auf den großen Markt hinaus.
    Trotz des Regens und der schlechten Sicht erschien Jan der Platz noch größer, als er zuvor gewesen war.
    Sie wollten nach Norden in Richtung der Judenstadt, doch als sie dorthin abbogen, traten aus den Gassen Lebewesen, denen man nur ungern in die Quere kommen wollte. Sie alle waren mindestens so groß wie sie, mit Schulterhöhen von sechs und sieben Fuß. Allesamt trugen sie riesige Gebisse im Maul und furchterregende Klauen an den Pfoten. Ihre dunkelroten Pelze waren vom Wasser durchweicht, doch keiner der Dämonen zeigte irgendwelche Auflösungserscheinungen, wie es bei Kithara der Fall gewesen war.
    »Jetzt hätten wir den Kater gebraucht!«, keuchte Julia dazwischen. »Er hätte einen Ausweg gewusst. Wohin jetzt?«
    Jan überlegte blitzschnell. »Zum Rathaus«, bestimmte er. »Wenn wir erst hinter dem Gebäude nach Norden abbiegen, können wir sie vielleicht abhängen. Es ist von dort nicht viel weiter zur Judenstadt.«
    Er wartete nicht ab, bis Julia zugestimmt hatte, sondern hastete davon und zog das Mädchen einfach mit. Dabei versuchte er, so lange wie möglich ihre Absichten geheim zu halten. Erst kurz vor dem Turm der alten Erkerkapelle schwenkte er nach Süden und lief in

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