Haus der roten Dämonen
Ungeheuers und holte zu einem Schlag aus, mit dem die Bestie wohl nicht mehr gerechnet hatte. Das Schwert des Barons durchschnitt den Körper der Kreatur – und von einem Augenblick auf den anderen war das Wesen verschwunden.
Kein Körper, der herabplumpste. Kein Blut, das sich über die Männer ergoss. Nichts blieb von dem Dämon übrig. Es war, als hätte er sich in Luft aufgelöst.
»Das geht nicht mit rechten Dingen zu«, flüsterte Julia neben ihm. Erst da wurde Jan wieder bewusst, dass er nicht allein in dem Fensterloch saß. Julia beobachtete ebenfalls, was dort unten vor sich ging.
Der Kaiser klatschte. Rudolf II. wankte mit erhitztem Gesicht auf Messer Arcimboldo zu. Er schwitzte sichtbar. »Mein Lieber, mein Lieber! Die reinste Zauberei!«, tadelte und lobte er gleichzeitig Messer Arcimboldo und hieb ihm mit der flachen Hand auf die Schulter. »Eben noch hat
mich dieses Fabelwesen angestarrt, als wolle es mich fressen. Es hat meinen Paladin Heinrich von Stackelberg angegriffen und beinahe zerfleischt.« Der Baron stand noch in der Mitte des Saals mit aufgeschlitztem Brustpanzer und einem lahmen Arm, doch als Sieger in einem Kampf um Leben und Tod. Sein gezielter Schwerthieb hatte das Biest bezwungen. »Wundervoll. Einfach wundervoll!«, stotterte der Kaiser. Er war leichenblass.
Von Messer Mont hörte Jan nur ein unterdrücktes Stöhnen, sonst nichts, er konnte sich dessen feistes, fahles Gesicht jedoch gut vorstellen.
Der Herrscher über die Christenheit breitete die Arme aus und umfasste Arcimboldo, soweit es für ihn schicklich war. »So etwas will ich haben, solche Tiere sollen meine großen Festumzüge bevölkern. Vielleicht etwas weniger wild, aber ebenso beeindruckend bösartig«, befahl Kaiser Rudolf II.
6
Der dämonische Blick
J ulia war verwirrt. Nicht nur von dem, was sie gesehen hatte. Auch der Junge hatte sie durcheinandergebracht. Wie gehörten er und dieser Quacksalber zusammen? Was hatte er mit Messer Arcimboldo zu schaffen? Der Tierdämon, den sie gesehen hatte, konnte unmöglich aus dieser Welt stammen. Und den Jungen sollte sie eigentlich hassen, weil er beim Tod ihres Großvaters eine Rolle gespielt hatte, wenn auch nur nebenbei. Andererseits hatte er sich um sie gesorgt und sie beschützt, und sie musste zugeben, dass ihr das gefiel. Beides zusammen war unmöglich – und
sie glaubte, es müsse sie innerlich zerreißen. Gott sei Dank hatte sie sich mit ihm verabreden können, bevor er in den Saal zurückgegangen war. Am nächsten Morgen wollten sie sich treffen, kurz nach Sonnenaufgang am Brunnen.
»Du bist ja weiß wie die Wand!«, wurde sie von Marga begrüßt, der Küchenhilfe, einer festen, kleineren Person mit breitem Gesicht und hohen Backenknochen. Ihre braunen Haare verbarg sie unter einem Kopftuch. »Weil du gerade hier bist: Seit heute früh fehlt ein Huhn.« Sie deutete auf die Anrichte. Dort lagen aufgereiht hintereinander dreizehn gerupfte weiße Hühnerkörper. Julia zählte sie nochmals durch. »Heute früh waren es noch vierzehn Vögel. Jetzt fehlt einer.« Sie zog die Augenbrauen zusammen und eine tiefe Falte zwischen den Brauen entstand. »Dreizehn. Ausgerechnet. Wo unser Herr so abergläubisch ist.«
Julia musste sich erst zurechtfinden. Als sie begriffen hatte, wessen sie beschuldigt wurde, schüttelte sie energisch den Kopf. »Ich stehle nicht.«
Marga sagte gar nichts, sondern wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
»Ich habe einen Purpurdämon gesehen«, flüsterte Julia endlich.
Das Messer, mit dem die Küchenhilfe gerade die Füllungen für die Hühnchen zerkleinerte, fiel klirrend auf den Schneidstein, begleitet von einem kleinen Aufschrei. »Wo?«
»Nicht hier!«, wiegelte Julia ab.
»Hast du mich erschreckt! Beinahe hätte ich mir den Finger abgeschnitten. Mach das nicht noch einmal«, beschwerte sich Marga und stemmte die Arme in die Hüfte. »Behalt deine Träume lieber für dich.«
»Es war kein Traum.« Julia stampfte mit dem Fuß auf den Boden. »Oben im Vladislav-Saal. Beinahe hätte er Baron
von Stackelberg getötet. Aber dann ist er verschwunden. Puff, weg war er.« Julia hatte die Arme ausgebreitet und dann zusammengeschlagen, um das Geräusch nachzuahmen, mit dem das Wesen verschwunden war.
Wieder zuckte Marga zusammen. Diesmal nahm sie einen Finger in den Mund. »Herrgott noch mal. Jetzt hab ich mich tatsächlich geschnitten«, schimpfte sie, und Julia machte, dass sie wegkam. Sie schlüpfte unter den Tisch und war damit außer
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