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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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er sich seinem Gefühl und den Eindrücken des Tages. Ganz von allein erfand er ein Wesen und setzte es mit wenigen ungelenken Strichen aufs Papier. Das Tier sah aus wie ein Pferd, war jedoch lang und schlank wie die Schlangenechse. Er verlängerte den Hals und schützte ihn durch einen Kragen aus Hautlappen.
Dann kam ihm die Idee, aus dem einen Kopf drei zu machen, und er stückte zwei weitere Hälse und Köpfe an. Die Schnauzen gerieten ihm dabei lang und spitz wie bei Wieseln. Der Schwanz der Kreatur endete in einem Stachel und wurde so beweglich gezeichnet, dass das Wesen damit hätte um sich schlagen können. Zuletzt fügte er Augen ein, große Augen, so groß, dass sie in absoluter Finsternis sehen konnten, als wäre es helllichter Tag. Zuletzt fügte er den vier Beinen Pfoten an, die in langen Krallen endeten, wobei er eine Kralle der Vorderpfote so lang zeichnete, dass sie beim Gehen aufwärts standen. Im Kampf sollte sie eine tödliche Waffe sein.
    Als die Vorzeichnung fertig war, ließ Jan die Kohle sinken und betrachtete sein Werk. Es war weiß Gott kein Meisterstück, es war sogar eine recht unfertige, unsaubere Zeichnung, die eine mehr als ungeübte Hand erkennen ließ. Doch ein wenig von dem, was in seinem Kopf vorhanden war, hatte er auf die Leinwand gebracht. So eine Hilfe hätte er heute gerne gegen die Schlangenechse in Julias Garten an seiner Seite gehabt.
    »Ich möchte keinen deiner Träume bevölkern, Kerl«, sagte Contrario, der sich neben ihn gestellt hatte, »wenn darin solche Bestien vorkommen!«
    Jan wollte dazu nichts sagen.
    Er selbst erschrak bis ins Mark, als er noch einmal dieses Wesen betrachtete, das er gezeichnet hatte. Welcher Teufel hatte ihn da geritten? Er wollte mit dem Handballen über die Fläche wischen und seine Zeichnung ungeschehen machen, doch Contrario hielt seinen Arm am Handgelenk fest.
    »Man muss zu seinen Abgründen stehen, mein Freund. Unser gemeinsamer Herr, Messer Arcimboldo, liebt die Abgründe. Es wird ihm gefallen.« Contrario lachte still in sich hinein. Jan empfand seine ungewöhnliche Fröhlichkeit beunruhigend
und hätte die Kreatur auf dem Bild am liebsten sofort zerstört. »Nimm jetzt den Pinsel. Die Farbe darf nur verdünnt eingesetzt werden. Lasieren, so nennt man das. Sie muss durchsichtig sein, als wolltest du auf eine Glasplatte malen, durch die das Licht fallen soll.«
    Mit der einen Hand schob er Jan die Palette hin und goss Leinöl in eine Schale. Er zeigte Jan, wie man aus dem Öl und rosafarbenen Pigmenten eine durchsichtige Lasur herstellte, und malte die ersten Flächen mit schnellen Pinselstrichen aus. »Gleichmäßig auftragen, schnell malen«, sagte er nur. »Den Hintergrund bearbeiten wir später.«
    Jan gab sich die größte Mühe, doch seine zittrige Hand, die noch niemals einen Pinsel gehalten hatte, wischte über die Konturen hinaus und verschmierte die Vorzeichnung regelrecht, sodass kaum etwas von dem übrig blieb, was er auf die Leinwand gemalt hatte.
    Nachdem die Vorzeichnung vollständig ausgemalt und in Jans Augen zerstört war, nahm ihm der Adlatus den Pinsel aus der Hand und begann, mit einem feineren Malgerät, das nur aus einigen wenigen Borsten bestand, die Konturen nachzufahren.
    »Ein gutes Bild«, krächzte er freudig. »Ein sehr gutes Bild.«
    Jan fand das keineswegs, doch er beglückwünschte sich zu seinem Mut, endlich mit dem Malen begonnen zu haben.
    »Genug für heute«, murmelte Contrario, als er sich aufrichtete, offenbar mit sich und dem Ergebnis zufrieden. Mit einigen wenigen Strichen und Linien hatte er aus der unscheinbaren Zeichnung eines dreiköpfigen Tieres ein Monster geformt. Und wenn Jan bislang keine allzu hohe Meinung von den künstlerischen Fähigkeiten des Adlatus gehabt hatte, musste er nun zugestehen, dass sich das Wesen unter dessen Hand tatsächlich zu einer Schreckensfigur gemausert hatte.

    Es ist und bleibt nur ein Bild, dachte Jan für sich. Dennoch beschlich ihn ein ungutes Gefühl, ein wie eine Blüte sich langsam öffnender Schrecken.

14
    Blutzoll
    J an!« Der Ruf Messer Arcimboldos hallte durchs ganze Haus und Contrario zuckte zusammen. »Jan! Komm her!«
    Mit einem Kopfnicken entließ der Adlatus Jan, der zur Tür stürzte. Unangenehm war ihm, dass er sein Bild bei Contrario zurücklassen musste. Er sah noch, wie dieser mit hinter dem Rücken verschränkten Armen vor der Leinwand auf und ab ging und sie mit Kopfnicken begutachtete. »Geh nur, geh nur. Man lässt Messer Arcimboldo

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