Haus der roten Dämonen
Bild; wenn möglich zwei Tiegel davon.«
Messer Arcimboldo verzog den Mund. Das Lächeln wirkte wie eingemeißelt, so unecht war es. Der Maler streckte ihm das Silberstück hin, Jan nahm es, besah es sich genau und biss hinein. Es war hart, wie Silbermünzen sein sollten. Er wollte sich kein falsches Geldstück andrehen lassen und danach beschuldigt werden, er habe es vertauscht.
Messer Arcimboldo musterte ihn ein wenig verblüfft, doch dann nickte er. »Rasch jetzt! Spätestens heute Abend will ich dich wieder hier sehen, Kerl!«, befahl er. »Ach ja, das wird dir helfen.« Er streckte Jan ein Schreiben hin, ohne ihn anzusehen. »Damit dich die Wachen durchlassen. Gesindel weisen sie ab, Gesinde nicht.«
Jan nahm das Empfehlungsschreiben entgegen, steckte es unter sein Hemd, verbeugte sich steif, dann flitzte er die Treppe hinab und aus dem Haus. Er würde bestimmt früher zurück sein. Meister Gremlin ausfindig zu machen, war ein Kinderspiel für ihn. Den uralten Alchemisten und seine Vergesslichkeit und Tollpatschigkeit belachte halb Prag. Schließlich schlich der Alte murmelnd und vor sich hin brabbelnd durch die Straßen, nahm sich hier und dort gedankenverloren etwas von den Marktständen, ohne zu bezahlen, und tauchte ein andermal vor einem der Marktstände auf, behauptete, er müsse noch seine Schulden begleichen, und bezahlte einen einzelnen Apfel oder eine Birne mit einem Goldbrocken, der mehr wert war als der gesamte Stand. Jeder in Prag kannte den Sonderling. Jeder duldete seine Verschrobenheit in der Hoffnung, an Gold zu gelangen. Und merkwürdigerweise hatte beinahe jeder schon von Meister Gremlins Gold profitiert.
Jan jagte im Spurt die Gasse hinauf und bog um die Ecke. Erst außer Sichtweite befahl er sich, die Sache langsamer und überlegter anzugehen. Er blieb kurz stehen und stützte sich mit vorgebeugtem Oberkörper auf den Knien ab, um zu verschnaufen.
Dann wollte er zum ersten Burghof hinein und durch den gesamten Schlosskomplex hindurch bis zur Goldenen Gasse am anderen Ende. Doch als er das Tor erreichte, musste er seinen Plan ändern, denn der Innenhof war voller Reiter, Kutschen und Menschen. Jan sah sich das Hoftreiben ein wenig an. Aus jeder der Kutschen stieg ein vornehm gekleideter Herr, manchmal mit einer Dame am Arm, manchmal allein. Offenbar hatte die Jagdzeit begonnen, in der alle Hofbeamten zusammengerufen wurden und die Ranghöchsten sich am Treiben und Jagen im Königsgarten beteiligen durften.
Die bunte Kleidung der Adligen nahm sich gegenüber der eher schlichten ihrer Bediensteten und der noch schlichteren und oft zerrissenen ihrer Untertanen, die vor dem Tor standen und das Schauspiel begafften, lächerlich übertrieben aus. »Sie denken, sie wären Götter«, murmelte Jan vor sich hin, »doch sie sind nur Schmarotzer!« Die Adligen sahen über die Menge hinweg, unterhielten sich nur mit ihresgleichen und benahmen sich, als gäbe es nur sie und sonst niemanden auf der Welt.
An ein Durchkommen an dieser Stelle war jedenfalls nicht zu denken.
»Dann eben über die Alte Schlossstiege«, sagte sich Jan, ließ den Auflauf der Adligen links liegen und rannte die Bergstraße hinab.
Durch den Schlauch, den die Häuser links und rechts der Spornergasse bildeten, blies ihm die frische Moldauluft entgegen und kühlte seine Sinne etwas ab. Die Glockenstimmen
der Stadt wehten über den Fluss und hinterließen in seinem Kopf das drängende Gefühl einer Lücke. Nur die Rathausuhr schwieg, was er als Misston im Gesamtklang der Stadt empfand. Er wurde langsamer, spürte die Silbermünze in der Hand und fiel wieder in einen schnelleren Gang. Doch übermäßig beeilen musste er sich nicht, der Meister erwartete ihn erst gegen Ende des Tages zurück.
Jan betrachtete die Häuserfronten, die sich still und demutsvoll unter die mächtige Kulisse des Hradschin beugten, als Dank für den Schutz, den ihnen die Schlossanlage allein aufgrund ihrer Größe gewährte. Schutz und Sicherheit, das war in diesen Zeiten das Wichtigste. Wie schnell kam das Unglück über die Menschen, wie schnell drehten die politischen Winde. Es brauchte nur ein Kaiser zu sterben und keine Nachkommen zu hinterlassen, oder zu viele davon, die sich um ein Erbe stritten. Neid und Missgunst stürzten die Menschen ins Elend, doch der Zwist zwischen den Herrschenden verursachte Katastrophen. Da tat es gut, ein mächtiges Bauwerk im Rücken zu spüren, an das man sich lehnen konnte, wenn die Winde wieder allzu heftig
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