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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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bliesen.
    Die Stimme hörte er kaum. Wie ein Feenhauch wehte sie ihm ans Ohr.
    »Psst! Hierher! Bitte. So kommt doch.«
    Jan blieb stehen und sah sich um. Da war niemand. Und doch hörte dieses Gewisper nicht auf.
    »Psst. Hier. Gegenüber. So kommt doch. Bitte.«
    Ein Unbehagen erfüllte ihn. Mit der Silbermünze in der Hand war er eine gute Beute für Straßenräuber.
    Langsam ging er weiter, lauschte jedoch auf jegliches Geräusch. Als er sich umblickte, weil er das Gefühl hatte, von hinten beobachtet zu werden, entdeckte er eine bleiche Hand, die sich aus dem Spalt zwischen zwei Häuserzeilen hervorstreckte und ihn energisch zu sich rief.

    Jan erschrak. Dann dachte er nach und musste beinahe lachen. Das war bestimmt eine Hübschlerin, die um diese Zeit ihren Geschäften nachging und nach Männern Ausschau hielt. Anders konnte es nicht sein. Doch dann verwarf er diese Überlegung wieder. Schließlich sah er nicht so aus, als ob er sich eine Frau würde leisten können.
    Endlich trat die junge Frau aus dem Häuserschatten – und wieder winkte sie ihm energisch.
    Jan überlegte, ob er es wagen konnte, sich ihr zu nähern, und ging dann vorsichtig auf sie zu. Was sollte ihm schon von einer Frau widerfahren? Gut zehn Fuß vor ihr blieb er stehen, mitten auf der Straße. Jetzt sah er sie genau. Ihr Alter war schwer einzuschätzen. Sie sah mager aus.
    »Was wollt Ihr von mir?«, fuhr er sie an.
    »Erinnert Ihr Euch?«, sagte sie und schaute nach links und rechts, als erwarte sie eine Gefahr.
    »Nein. Sollte ich?«, gab Jan zurück. Er musterte die Frau noch einmal. Tatsächlich dämmerte in ihm der Gedanke, ihr schon einmal begegnet zu sein.
    »Ihr wart mit dem Quacksalber bei meinem Mann. Erst vor ein paar Tagen!«
    Sofort war Jan alarmiert. Schlagartig wurde ihm bewusst, wen er vor sich hatte: die Frau des Zwillings, der ihn und Contrario hinausgeworfen hatte. Der Zwillingsbruder musste in der Nähe sein. Das war eine Falle! Er duckte sich und war bereit, loszustürmen, den Mann umzurennen, wenn es nötig war. Für so etwas war das Waisenhaus eine gute Schule gewesen.
    Die Frau schien seine Gedanken erraten zu haben.
    »Keine Angst. Er ist nicht hier«, sagte sie. »Aber geht von der Straße weg. Ich will Euch warnen. Es hilft meinem Pavel nichts mehr, wenn noch mehr Leid in die Welt getragen wird.«

    Zögernd kam Jan näher. »Ihr seid die Frau, die ihren Mann …«, er räusperte sich vor Verlegenheit, »… ist er denn schwer krank?«
    »Jakub hat ihn fortgebracht. Es geht ihm jetzt besser. Bitte, kommt. Es wird nichts geschehen. Ich bin allein und – muss nur mit Euch reden.«
    Jans Bedenken verflogen. Die junge Frau wirkte zwar ängstlich und angespannt, doch ihre Stimme gewann ihn für sich. Er verließ die Straßenmitte und trat auf die Lücke zu, in die sich die Frau zurückgezogen hatte.
    »Wie heißt Ihr?«, fragte er. Es war immer gut, die Namen von Menschen zu kennen.
    Der Schatten schluckte das zarte Geschöpf, und als Jan bis an die Brandlücke zwischen den Häusern herangekommen war, schnellte ein Arm daraus hervor und eine kräftige Pranke packte ihn an der Schulter.
    »Trau niemandem, und sei er noch so hilfsbedürftig«, knurrte eine tiefe Stimme. Die Stimme erkannte Jan sofort. Es war die des Zwillings, der Contrario-Buntfinger und ihn aus dem Zimmer des Schwerkranken geworfen hatte. »Ich glaube, mein Freund, du bist uns Erklärungen schuldig.« Jan wagte es nicht, auch nur zu atmen. Hätte er sich gewehrt, hätte ihm der Kerl das Schlüsselbein abgeknickt, wie er einen Hähnchenschenkel knackte.
    Jan konnte nicht sprechen. Sosehr er sich bemühte, kein Ton kam über seine Lippen. Er krächzte bloß und seine Knie gaben nach. Hätte ihn der Riese nicht gehalten, er wäre unweigerlich in die Gosse gekippt.
    »Fass ihn nicht so hart an, du hast es mir versprochen«, zischte die Frau.
    Der Zwilling hob Jan mit einer Hand hoch, als wäre er ein Krug Wasser, und zog ihn tiefer in die Häuserlücke hinein. Diese erweiterte sich und gab einen Raum frei, der mit
einer Art Schuppen gefüllt war: der Abort. So einen Holzbau gab es oft im Zwischenraum zwischen den Häusern. Zur Gartenseite hin war der Spalt mit einem hohen Lattenzaun abgeschlossen. Jan registrierte all das, ohne darauf reagieren zu können. Die Angst lähmte ihn.
    »Bitte!«, brachte er endlich hervor. »Lasst mich bitte herunter. Ihr brecht mir …«
    Mehr brauchte er nicht zu sagen, als die Pranke ihn losund zu Boden plumpsen ließ.

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