Haus der roten Dämonen
seine undurchsichtigen Tätigkeiten, all das machte ihm Angst. Ob Contrario für die Lebewesen verantwortlich war, die ihm und Julia begegnet waren, blieb ebenfalls unklar. Irgendwoher mussten sie schließlich kommen. Vom Himmel geregnet konnten sie nicht sein. Ob Contrario die Wesen nur vorbereitete, damit sein Meister sie ins Leben setzen konnte? Mit Schaudern dachte Jan an die Bestie, die Contrario geschaffen hatte. Nicht bei Tag und bester Beleuchtung wollte er ihr begegnen, geschweige denn in der Nacht. Wenn Messer Arcimboldo hier einen Tropfen Blut dazugab, dann … Er dachte kurz an die Eidechsenschlange. Trotz seiner Bemühungen hatte er sie nicht töten können. Solche Wesen waren die Hölle, das ewige Verderben, eine Geißel Gottes …
Außerdem konnte er sich nicht erklären, warum ihn das Tier verfehlt hatte, und ihn beunruhigte die Erinnerung an die blauen Blitze, die unter seinem Fuß hin und her gezuckt waren. Stammten sie von ihm oder von der Eidechsenschlange?
Doch da war noch etwas anderes, das ihn nicht ruhen ließ. Er stieg hügelan und schweifte mit dem Blick über die Türme Prags. Hinter der Mauer, gegen die Judenstadt hin, lag die Richtstätte. Dort hatte man den Scheiterhaufen für seine Mutter errichtet und sie verbrannt. Oft und oft hatte es ihn dorthin gezogen und er war vor dem Galgen und dem Richtblock gestanden, hatte zu den ans Rad Gebundenen hochgesehen und sie bedauert. Messer Arcimboldo hatte in ihm eine Wunde geöffnet, die er längst vernarbt geglaubt hatte. Was wusste der Maler über seine Mutter und
ihr Schicksal – und warum hatte er gerade ihn zu sich genommen? Als Hexenbalg stand Jan außerhalb dieser Stadtgemeinschaft. Messer Arcimboldo ignorierte das, wischte diese Schmach einfach beiseite und holte ihn zu sich. Selbst ein angesehener Hofmaler durfte sich solches nicht leisten. Es bedeutete Gefahr. Wusste der Maler also etwas, was für ihn, Jan, womöglich wichtig war? Jan beschloss, nicht zu Hajek zurückzukriechen, sondern seinen jetzigen Meister zu fragen, was er mit ihm vorhatte.
So stapfte er gedankenverloren durchs kniehohe Gras, an Feldrainen vorbei und erreichte das Haus seines Meisters von der Rückseite her.
Jan sah hoch zum Atelier, das sich durch die breite Fensterfront deutlich von den anderen Raumteilen abhob. Daneben musste der Schlafraum seines Meisters liegen. Die Fensterläden waren zugezogen. Darunter schloss sich eine Reihe von Fenstern an, die auf einen schräg abfallenden Gartenteil hinaussahen. Hier irgendwo befand sich sein Zimmer und daneben das des Adlatus.
Stimmen machten ihn neugierig. Zwei der Fenster des Ateliers standen auf und lenkten den Schall eines handfesten Streits direkt zu ihm herunter.
»… hab ich es dir nicht verboten, Kerl? Und was finde ich hier in deiner Kammer? Dieses … dieses … Geschmiere!«
Ein Wutschrei hallte über den Garten hinweg. Auf dieser Seite fand sich keine Bebauung mehr bis zur Umfassungsmauer. Keiner konnte die beiden also hören, außer er befand sich zufällig im Garten. Jan überlegte kurz, ob er nicht verschwinden sollte, doch dann siegte die Neugier. Hatte er schon nach dem Kampf im Hradschin die Auseinandersetzung zwischen Messer Arcimboldo und Contrario nicht mithören können, so wollte er wenigstens jetzt ein wenig Licht in das Verhältnis von Meister und Adlatus bringen.
Die schrille Stimme Contrarios mischte sich in den Wutausbruch. Er versuchte, sich zu rechtfertigen. Er habe nur seinem Meister nacheifern wollen. Die Lebewesen seien für den bevorstehenden Umzug gedacht gewesen, rief er dazwischen.
»Vergisst du denn, wer du bist und wer ich bin?«, brüllte Messer Arcimboldo. Jan hätte ihm niemals eine derartige Stimmgewalt zugetraut. Der schmale Mann wirkte sonst zwar selbstsicher, doch eher zurückhaltend und in sich gekehrt.
Jan drückte sich in das Laubwerk eines Busches. So erregt hatte er Messer Arcimboldo noch nicht erlebt. Plötzlich zischte etwas durch die Luft, ein Aufschrei folgte, dann ein Krachen: Ein Spannrahmen segelte über ihn weg. Messer Arcimboldo hatte ihn aus dem Fenster geworfen. Verblüfft spähte Jan nach dem Motiv auf der sich in der Luft drehenden Leinwand, doch der Malgrund war bis auf ein wenig Landschaft weiß. Als das Bild gegen einen Steinbrocken krachte und zerriss, erschien vor Jans Augen wie aus dem Nichts ein Bild, das er bestens kannte: die Schlangenechse.
Verwundert betrachtete er die halb zerstörte Leinwand. Wie war das möglich? Er hatte doch
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