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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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senkte es den Kopf und schloss den Mund. Mit einer Geschwindigkeit, die man den klauenbewehrten kurzen Beinen nicht zugetraut hätte, sauste es in den hinteren Garten und von dort aus in Richtung Wasser. Kurz bevor es aus seinem Blick verschwand, hob es noch einmal den Kopf und blickte zu ihm herüber, als wolle es sich vergewissern, dass er noch da war.

    »Herrgott, Jan, wo bist du?«, fauchte Contrario erneut.
    »Hier. Ich bin hier!« Ein kalter Schauer jagte ihm über den Rücken, wenn er an das Biest dachte. Er zog die Schultern hoch und huschte aus seinem Unterstand, den Blick auf den Boden geheftet. Der Adlatus stand bereits unter dem Torbogen. Er steckte eben eine Phiole in seinen Beutel, drehte sich um und lief den Berg hinauf in Richtung Burg, ohne weiter auf ihn zu warten.
    Jan ging hinter ihm her und hätte aus Furcht vor dem schlangenartigen Wesen beinahe vergessen, was er sich vorgenommen hatte, nämlich die Blutlache genauer anzusehen. Vor dem Haus musterte er neugierig den Boden, ob er etwas an dem Blut entdecken konnte, das Contrario sonst aus dem Fenster schüttete. Doch die Flusskiesel glänzten nur regenfeucht. Von Blutfarbe keine Spur. Dabei regnete es keineswegs so heftig, dass der Inhalt einer ganzen Schale bereits hätte weggeschwemmt werden können.
    Überrascht folgte er dem Adlatus, der trotz seines Humpelns einen tüchtigen Vorsprung herausgelaufen hatte. Er durfte ihn nicht verlieren, schließlich hatte er keinen Schimmer, wo Messer Arcimboldo wohnte.

2
    Im Haus des Magiers
    D ie Sonne ging früh hinter dem Burgberg unter, und der mächtige Hradschin, der über der Spornergasse aufragte, warf einen düsteren Schatten in die Häuserschlucht. Das schwarze Vlies der Nacht begleitete ein eisiger Atem, der kalt den Weg herabwehte und mit der Feuchtigkeit der
Moldau Nebelschleier erzeugte. Mit zwischen die Schultern eingezogenen Köpfen stapften Contrario-Buntfinger und Jan den gepflasterten Anstieg hinauf. Die Burganlage mit dem Veitdom als Krönung wirkte in ihrer Massigkeit einschüchternd auf Jan. Eine Baumasse war das, die daran gemahnte, dass hier der mächtigste Mann der Christenheit, der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Seine Majestät Rudolf II., seinen Wohn- und Herrschersitz genommen hatte. Wie bei einem Spinnennetz liefen alle Fäden dieses Riesenreiches und auch die weniger langen der Stadt Prag dort oben zusammen. Und wurde an einem der Fäden gezogen, dann wanderten geistliche und weltliche Fürsten, Diener und Zofen, Soldaten und Bauern dort hinauf und brachten ihren Tribut dar, seien es Goldleistungen oder bloße Arbeit. Von hier aus pulste der Herzschlag bis in die feinsten Verwinkelungen Europas – und ein Husten aus den Fenstern der Macht ließ die Scheiben der christlichen Welt klirren.
    Jan und Contrario-Buntfinger schlichen am Portal entlang, misstrauisch beäugt von den Wachen. Doch der Gehilfe ließ die Burg rechter Hand liegen und wandte sich wieder bergab einer kleinen Siedlung zu, die gerade noch hinter die Wehrmauer im Westen zu passen schien.
    Dort lag das Atelier Messer Arcimboldos. Ein Haus, das ein wenig größer war als die umliegenden Gebäude. Obwohl es nicht besonders auffällig wirkte, reckte es sich keck in die Höhe und sah im oberen Stockwerk frech über die Mauer weg, die hinter ihm emporragte. Jan gefiel dieser unscheinbare und doch stolze Trotz.
    »Hier sind wir«, murmelte Contrario-Buntfinger und blieb vor dem Haus stehen.
    Jan sah sich um. Das Gebäude stand auf der obersten Kuppe eines Hügels, sodass man vom ersten Stockwerk aus,
das gleichzeitig das einzige war, sicher über die Mauerzinnen ins Land hineinsehen konnte. Es besaß einen freundlich hellen, leicht ins Rötliche reichenden Anstrich.
    Buntfinger stellte sich vor die Tür, breitete die Arme aus und murmelte etwas, das Jan nicht verstand. Wie von selbst öffnete sich die Haustür. Jetzt erst bemerkte Jan, dass sie über keinerlei Griff oder Schloss verfügte, mit der man sie hätte öffnen können. Verwundert und ein wenig besorgt musterte er den Adlatus und fragte sich ernsthaft, an wen er da geraten war.
    »Wie habt Ihr das gemacht?«, fragte er, doch Contrario-Buntfinger trat, ohne eine Erklärung abzugeben, ein und winkte Jan, ihm zu folgen. Innen war das Haus noch größer, als es von außen gewirkt hatte. In die gesamte Westfront waren Glasfenster eingelassen. Sie gaben dem Geschoss den Charakter einer Kirche. Überall – und das war wirklich erstaunlich – fanden sich

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