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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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unzählige andere Farben wie Grün, Gelb und Ocker oder Braun. Hin und wieder wurde die Farbpalette von unscheinbaren grauen Steinen oder Sanden durchbrochen. Jan vermutete, dass sie sich einfärbten, wenn man sie mit Öl oder Wasser anmischte.
    »Das sind Pigmente, mein Junge. Farbpigmente. Deine erste Aufgabe wird es sein, sie im Mörser zu mahlen – und zwar staubfein.« Er drehte sich um und zeigte auf mehrere Steinkrüge mit Stößeln, die an der Wand neben der Tür aufgereiht standen. »Jede Grundfarbe hat einen eigenen Mörser. Verwechsle sie nicht, sonst könnten die Farbnuancen darunter leiden und damit die Qualität. Außerdem sind manche Farben nicht miteinander vereinbar oder färben so stark, dass bereits kleinste Partikel genügen, die Grundfarbe zu zerstören.« Er nahm einen Mörser vom Regal und drückte ihn Jan in den Arm. Das Gerät war so schwer, dass es Jan beinahe umgeworfen hätte. »Sachte, sachte!«, mahnte Contrario lachend und deutete auf einen Tisch. »Stell ihn
hier ab und dann los! Ich werde dir zeigen, wie du deine Arbeit zu erledigen hast.«
    Jan schleppte den Mörser zum Tisch und setzte ihn mit einem Krachen ab. Es war ihm einfach unmöglich, ihn sanft hinzustellen. Das kann ja heiter werden, dachte er sich. Der Tiegel, den er verwendete, hatte noch nicht einmal mittlere Größe.
    »Rot«, sagte Contrario, griff nach einer Schale, in der gelbliche Brocken lagen. Er nahm sie mit bloßen Fingern und legte sie in den Mörser.
    »Aber das ist doch nicht … rot«, wandte Jan ein.
    Contrario-Buntfinger drehte sich zu Jan um und grinste. »Du hast keine Ahnung, mein Junge, deshalb stehst du am Mörser, und ich sage dir, was du zu tun hast. Du sollst den Stein hier so fein reiben, dass man seine Farbe nicht mehr erkennt. Am Ende muss ein unscheinbares graues Pulver im Mörser sein. Dann erst bist du fertig.«
    »Contrario!« Der Adlatus zuckte zusammen, als er die Stimme Messer Arcimboldos vernahm. Der stand in der Tür, mit verschränkten Armen, und betrachtete sie beide.
    »Wie lange steht Ihr schon … Herr?«, wollte der Gehilfe wissen, doch sein Herr wischte alle Fragen mit einer Kopfbewegung beiseite und trat ganz in den Raum.
    »Der Junge soll etwas lernen, also musst du ihm erklären, warum er etwas tun muss.« Messer Arcimboldo nahm einen Klumpen des gelben Gesteins heraus und hielt ihn Jan vor die Nase. »Das hier ist weißer Schwefel. Man muss ihn höchst fein reiben, denn er wird mit Quecksilber vermischt. Wenn man den gestoßenen Schwefel in eine mit Lehm ausgekleidete Glasflasche gibt, reines Quecksilber hinzufüllt und die Mischung auf kleinster Flamme erwärmt, steigt gelber Rauch auf. Sobald der Rauch eine rötliche Farbe annimmt, verschließt man die Flasche, erhitzt sie aber weiter.
Hebt man sie schließlich nach einiger Zeit vom Feuer, dann hat man ein Rot, das zwar recht blass, aber dafür beständig ist.« Die Augen Messer Arcimboldos glänzten. »Quecksilber ist der Stoff des Lebens. So agil, so beweglich, ein Metall, das lebt, fließt und atmet.«
    Jan zuckte sofort zurück. Quecksilber war natürlich quecksilbrig, im wahren Sinne des Wortes, aber es war vor allem eines: giftig. Lucazs, ein Waisenjunge, der vor einem Vierteljahr abgeholt worden war, hatte einem Goldschmied beim Feuervergolden geholfen und so lange giftige Dämpfe eingeatmet, bis ihm die Zähne ausgefallen waren. Er war unter unsäglichen Schmerzen gestorben. Blühte ihm nun dasselbe? Musste er bei Messer Arcimboldo die Arbeiten übernehmen, die der Meister und sein Adlatus selbst nicht ausführen wollten. Um ihn war es schließlich nicht schade, schließlich war er ein Waisenjunge und zudem der Sohn einer … Jan verbot sich den letzten Gedanken sofort.
    »Mischen und Auskochen nimmt Contrario vor«, beruhigte ihn der Maler. »Du musst nur mörsern.« Er schien Jans Gedanken erraten zu haben. Jan sah ihn dankbar an. »Jetzt nimm einen Stößel in die Hand, ich habe dich nicht fürs Nichtstun hierher holen lassen.«
    Er drehte sich um und ging hinaus, ohne sich weiter um die beiden zu kümmern.
    »Du hast gehört, was er gesagt hat«, drängte Contrario und legte noch einen weiteren Brocken in den Mörser.
    Jan nickte und begann zu reiben und zu schlagen, zu stoßen und zu drehen. Die Steine zerfielen zu Staub und selbst den Staub musste er durch und durch walken, bis Contrario mit dem Ergebnis zufrieden war. Mehr als einmal verfluchte er Contrario, weil er immer noch einen Brocken zugab. Zuletzt

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