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Haus der roten Dämonen

Titel: Haus der roten Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Dempf
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Bilder. Sie waren auf Staffeleien montiert oder standen einfach hintereinander geschichtet am Boden herum. Es mussten Dutzende sein.
    »Rühr ja nichts an, Junge. Ich zeig dir jetzt den Dienstbotenraum. Dort kannst du schlafen. Du solltest ihn dir ein wenig einrichten. Was du brauchst, findest du in den beiden Räumen daneben.« Er zeigte auf zwei Türen im Erdgeschoss. Dann stapfte Contrario-Buntfinger, den gesenkten Kopf voraus, zu einer dritten Tür, und er öffnete sie, wie man alle Türen der Welt öffnet: indem er eine Klinke drückte.
    »Contrario?«, ertönte eine Stimme aus dem oberen Stockwerk. Jan blickte sich um. Eine steile Treppe führte vom Erdgeschoss aus hinauf. »Hast du es?«
    »Ja, Messer Arcimboldo«, antwortete der Adlatus und deutete Jan mit einer Geste an, er solle sich den Dienstbotenraum ansehen. »Mein Herr und Meister ruft mich«, entschuldigte er sich.

    Jan betrat den Raum. Es war ein Kabuff mit einem Fenster, das gerade so viel Licht hindurchließ, dass man nicht das Gefühl hatte, blind zu sein, wenn man die Tür schloss. Auf einer Pritsche, die wohl sein Bett darstellte, lagen Berge von Spannrahmen, allesamt bereits rötlich grundiert. Jan begann, sie vom Bett zu räumen und an die Wand zu stellen, setzte sich danach auf die Pritsche und ließ den Blick über seine neue Zuflucht schweifen. Einen Palast konnte man dieses Zimmer nicht nennen, doch war es allemal besser, als im Waisenhaus mit zehn Jungen in einem Raum zu schlafen. Das Zimmer gehörte ihm. Ihm allein. Hier war er ungestört. Er musste den Raum mit niemandem teilen, wenn er erst mal all die Rahmen und Farbtöpfe und Pigmentgläser aus ihm verbannt hatte. Endlich wusste er, was Messer Arcimboldo von Beruf war: ein Maler.
    Da er Contrario-Buntfinger nicht fragen wollte, wohin die Spannrahmen zu schaffen seien, beschloss er, selbst eine Lösung zu finden. Mit einem ganzen Schock von zwölf Rahmen im Arm betrat er die Halle und suchte nach einem Stauraum. Er war sich sicher gewesen, dass neben seinem Zimmer eine weitere Tür gewesen war, doch sie war verschwunden. Vermutlich hatte er sich getäuscht. Da er die grundierten Leinwände nicht einfach irgendwohin bringen konnte, stellte Jan sie vor seinem Zimmer gegen die Mauer.
    Dann machte er sich auf, das Haus zu erkunden. Vermutlich würde es länger dauern, wenn der Adlatus mit seinem Herrn im ersten Stock zu sprechen hatte, um ihm von Jan und seinem ersten Arbeitstag zu erzählen. Derweil schlenderte er selbst durch das Untergeschoss und sah sich um.
    Jan betrachtete zuerst die überall auf Staffeleien und am Boden stehenden fertigen Bilder. Sie waren flüchtig gemalt, als hätte Messer Arcimboldo nicht die Zeit gehabt, sie fertigzustellen. Die Konturen der Landschaften und Bäume
waren undeutlich, die Farben blass und überall schien die Leinwand durch. Allesamt zeigten sie auch merkwürdige Dinge. Da gab es Köpfe, die sich aus Muscheln oder Blättern zusammensetzten, Tiere, die aussahen wie dreiköpfige Hydren, oder eine Schlange mit gewaltigen Zähnen im Maul. Sie zeigten ebenso Riesenkatzen und schnappende Schildkröten, die ihr Maul aufgerissen hatten, als wollten sie die Welt verschlingen, und deren Schlund höllenrot leuchtete, wie dunkle pantherartige Wesen mit großen grünlichen Augen. Ein ganzes Sammelsurium an dämonenfratzigen Wesen war hier festgehalten und konnte einem den Schlaf rauben. Es gab jedoch auch einen bunt schillernden Vogel darunter, der direkt dem Paradies entflohen zu sein schien mit seinem buntfarbigen Gefieder. Er hockte auf einem Ast und blickte Jan direkt an. So echt war er, dass Jan glaubte, er würde das Rascheln seiner überlangen Nackenfedern hören. Sie alle machten einen unfertigen Eindruck und wirkten bis auf das Rot eher blass, als fehle ihnen noch die letzte Überarbeitung. Ganz hinten entdeckte Jan sogar eine Art Pantherdrachen mit Natternkopf. Einen Flügel hatte er an den Körper gelegt, den anderen entfaltete er gerade. Seine Tatzen waren die eines Vogels, sein langer Hals und der platte Kopf der einer Schlange.
    »Eine Chimäre!«, murmelte Jan. Solch einem Wesen wollte er niemals im Leben begegnen. Und etwas weiter vorn im Bilderstapel stieß er auf ein weiteres Tier dieser Art, mit Katzenkopf und dem breiten Brustkasten eines Bären.
    Jan wusste nicht, ob er nach oben in den ersten Stock gehen durfte, entschied sich dann jedoch dafür, sich bei Messer Arcimboldo vorzustellen. Hajek hatte das seinen Jungen geraten. Wenn der

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