Haus der Sonne
verfluchte, vor dem Anruf nicht die Videokamera ausgeschaltet zu haben. »Die Tatsache, daß ich diese Nummer kenne, bedeutet, daß ich Ihnen das nicht zu sagen brauche«, sagte ich kalt, indem ich den harten Konzernmann spielte. »Geben Sie mir den Ali'i. Sofort.«
»Ich fürchte, das ist unmöglich«, sagte die Stimme, meinen Tonfall Eiszapfen für Eiszapfen kopierend. »Der Ali'i ist im Augenblick indisponiert. Hinterlassen Sie Ihren Namen und entsprechende Kontaktinformationen, darin gebe ich alles an ihn weiter.«
Ich legte auf. Mit einem Seufzer lehnte ich mich in den Sessel zurück.
Zum Teufel damit, aber irgendwas konnte da nicht stimmen. Ho hatte gesagt, die Nummer auf der Visitenkarte würde zu ihm persönlich durchgestellt, wo er sich auch gerade befinden mochte. Wenn er aus irgendeinem Grund nicht antworten konnte - wenn er zum Beispiel ›indisponiert‹ war -, würde niemand anders abheben. Offenbar hatten sich die Regeln geändert. Vielleicht war ›in-disponiert‹ nur eine höfliche Umschreibung für ›abgesetzt‹. War Gordon Ho noch Ali'i des Königreichs Hawai'i?
Ich drehte mich um und starrte aus dem Fenster. Seit diese Sache begonnen hatte, kam ich mir vor wie eine Ratte in der Falle. Jetzt schien die Falle zu schrumpfen. Langsam gingen mir die Möglichkeiten und Alternativen aus. Eine Weile hatte ich mich von dem Gedanken zum Narren halten lassen, ich hätte einen mächtigen Schutzherrn in Gestalt des Ali'i. Nicht mehr, Chummer. Nach allem, was ich wußte, baumelte Gordon Ho vielleicht schon am Ende eines Strickes, und die Augen quollen ihm hervor und die Zunge hing ihm heraus wie bei der magisch veränderten Statue. Und selbst wenn das nicht der Fall war, standen die Wetten ziemlich gut, daß ihm wichtigere Dinge im Kopf herumgingen als die Leiden eines gewissen Dirk Montgomery.
Und Barnard? Drek, ich hatte ihn bereits nach Kräften bekniet, und er hatte beschlossen, mich als Gegenge-wicht für seine anderen Informanten ›im Lande‹ zu lassen. Wie konnte ich ihn davon überzeugen, mich rauszuholen? Durch Schluchzen und Jammern?
Vielleicht stellte ALOHA ein. Ich fragte mich, was wohl der derzeit gültige Tarif für ausgebrannte Haole- Runner war...
Das Telekom klingelte, und ich wäre fast rückwärts aus dem Sessel gekippt. Ich funkelte das Zeichen in der unteren Schirmecke, das besagte, daß ein Anruf kam, haßerfüllt an.
Wer hatte diese LTG-Nummer? Offensichtlich Monot und alle anderen, denen sie die Nummer bei TIC gegeben hatte. Und das waren auch schon alle... oder?
Ein wenig ängstlich drückte ich auf eine Taste, um den Anruf entgegenzunehmen, aber erst, nachdem ich die Videokamera ausgeschaltet hatte. »Ja?«
Der Schirm füllte sich mit einem Bild von Gordon Hos starken Gesichtszügen. »Mr. Montgomery?«
Ich schaltete eiligst die Kamera wieder ein. »Ich bin es«, sagte ich unnötigerweise. »Wo, zum Teufel, stecken Sie?« Und dann kam mir ein häßlicher Gedanke. »Und wie, zum Teufel, sind Sie an diese Nummer gekommen?«
Der Ali'i von Hawai'i bedachte mich mit einem müden Lächeln. Zum erstenmal fielen mir die Ringe unter seinen Augen und die Linien der Erschöpfung in seinem Gesicht auf. »Was Ihre zweite Frage betrifft, Mr. Montgomery, so habe ich Ihnen, glaube ich, schon einmal gesagt, daß mir einige Mitglieder meines Geheimdienstes noch treu ergeben sind. Glücklicherweise scheint sich daran nichts geändert zu haben. Was Ihre erste Frage betrifft, so würde ich lieber nicht darüber reden, und zwar aus Gründen, die offensichtlich sein dürften.«
»Was, zum Teufel, ist los, e Kuw'u lani?« fragte ich.
Sein müdes Lächeln wurde traurig. »Diese Anredeform ist nicht mehr angemessen, Mr. Montgomery.«
Ich nickte. »Eine Palastrevolte?«
»Mehr oder weniger. Der Thron ist von einem entfernten Cousin von mir bestiegen worden - natürlich ziehe ich die Formulierung ›usurpiert worden‹ vor -, der offenbar von gewissen Fraktionen innerhalb des Abgeordnetenhauses von langer Hand für diese Aufgabe aufgebaut worden ist.«
»Als Sprachrohr für die Na Kama'aina «, übersetzte ich.
»Natürlich.«
»Und was ist mit Ihnen?« fragte ich.
»Ich bin des Hochverrats angeklagt, was sonst? Wie hätte die Na Kama'aina sonst vorgehen sollen?« Er zuckte seine muskulösen Schultern. »Ich habe den Palast verlassen, kurz bevor der Befehl erging, mich zu verhaften.«
Ich schüttelte den Kopf. Die Dinge brachen auseinander. Das Zentrum gab nach und der ganze Drek. »Sie
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