Haus der Sonne
warum nicht gleich hier auf Zimmer 1905 im New Foster Tower? Ich stellte rasch eine Kosten-Nutzen-Analyse hinsichtlich der Sicherheit an, und alles in allem schien das Risiko geringer zu sein, wenn ich blieb, wo ich war, und jeden unnötigen Aufenthalt auf den Straßen vor, während und nach dem Treffen vermied. Falls nötig, konnte ich hinterher aus dem Hotel ausziehen und mir eine andere Bleibe suchen. Von mir aus eine verdammte Gasse, wenn sich nichts anderes anbot.
Also wurde es so vereinbart. Das Treffen wurde auf achtzehn Uhr angesetzt. Eine Messerklaue und ein Schamane, beide von Ho gestellt, würden meine Gäste um diese Uhrzeit zu Zimmer 1905 führen. Zwei Stunden vor der vereinbarten Zeit würden die beiden anderen Messerklauen an meine Tür klopfen.
Meine Paranoia machte Überstunden, also sah ich durch den Spion in der Tür, bevor ich das Magnetschloß öffnete. Durch die verzerrende Linse betrachtet, konnte ich mir mühelos einbilden, daß ich die beiden Messerklauen schon einmal gesehen hatte. Zwar variieren Gesichtszüge und andere oberflächliche Einzelheiten, aber ich war immer der Ansicht, daß allen wirklich guten Leibwächtern eine gewisse Ähnlichkeit zugrunde liegt. Vielleicht ist es der Grad des Selbstvertrauens oder der Glaube an ihre Fähigkeiten. Oder vielleicht ist es auch die Erkenntnis, daß ihr Job von ihnen verlangen könnte, daß sie jederzeit töteten oder starben. Wie auch immer, ich habe immer ein unterschwellig unangenehmes Gefühl in Gegenwart solcher Leute. Natürlich war dies kein gesellschaftlicher Anlaß, und ich war froh, daß dieses Paar kompetent aussah.
Die größere der beiden Gestalten hielt etwas vor den Spion - ein Duplikat des Sheriff-Abzeichens, das ich immer noch in der Tasche hatte. Ich entriegelte die Tür und öffnete sie.
Die beiden Muskelmänner nahmen nicht einmal meine Anwesenheit zur Kenntnis. Lautlos wie Gespenster schienen sie sich in ihren dunklen Anzügen an mir vorbeizuteleportieren. Der kleinere der beiden - mit leichtem Schock registrierte ich, daß es sich um eine Frau handelte - schloß und verriegelte die Tür, während ihr größerer Begleiter einfach nur in der Mitte des Zimmers stand und sich mit einem Blick umsah, der so durchdringend wie ein medizinischer Laser war.
Nach einer halben Minute nickte er kaum wahrnehmbar und wandte sich schließlich an mich. »Mr. Montgo-mery«, sagte er mit einer Stimme, die so emotionslos wie ein Vocoder klang. »Ich bin Louis Pohaku. Meine Kollegin heißt Alana Kono.« Keiner der beiden machte Anstalten, mir die Hand zu schütteln, also nickte ich ihnen zu. »Haben Sie diesen Raum einer Sicherheitskontrolle unterzogen?«
»Sie sind die Experten«, sagte ich achselzuckend.
Pohaku warf seiner Partnerin einen Blick zu, dann teilten sie sich und fingen im wesentlichen an, das Hotelzimmer auseinanderzunehmen.
Ich sah ihnen bei der Arbeit zu. Pohaku war offenbar der Boß des Zwei-Personen-Teams, und er war schon seit einiger Zeit im Geschäft. Ich schätzte ihn auf Ende Dreißig, vielleicht ein paar Jahre älter als ich, und die Welt schien nicht gerade freundlich zu ihm gewesen zu sein. Sein Gesicht war hager, die Augen leicht eingesunken, die Haut ein wenig blaß. Drek, er sah aus wie eine wandelnde Leiche, die sich für den Abschlußball der High-School zurechtgemacht hatte. Aber er bewegte sich gut - auch wenn er nur durch das Hotelzimmer ging, fiel mir auf, daß seine Bewegungen präzise und geschmeidig waren. Er hatte keine offensichtlichen Cybermodifikationen, aber ich hätte einen Haufen Kreds darauf verwettet, daß seine Reflexe bis zu einem gewissen Grad aufgepeppt waren.
So groß und hager Pohaku war, so klein und angenehm gerundet war Kono. (Ich wagte das Wort ›paus-bäckig‹ nicht einmal zu denken, weil sie mir dafür wahrscheinlich die Augen ausgekratzt hätte.) Breites Gesicht, dunkle, gelockte Haare und Kurven an den richtigen Stellen. Ihre Augen waren dunkel und lebendig, und der geringste Anflug eines Lächelns mußte sie fast zu einer Schönheit machen. Natürlich gehörte Lächeln nicht zu ihrem Job. Weibliche Attribute hin oder her, sie hätte ebensogut Pohakus seelenlose Klon-Schwester sein können.
Die beiden Leibwächter in ihren bis auf die Größe identischen dunklen Anzügen unterzogen das Zimmer einer gründlichen Inspektion. Sie probierten die versiegelten Fenster aus, sie überprüften Sichtlinien, sie tasteten jeden Millimeter Wand mit irgendwelchen elektronischen
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