Haus der Sonne
ersten Blick. Doch leider befindet sich der einzige Flughafen in der Sioux Nation, der Suborbitalflugzeuge abfertigen kann, in Casper, nicht in Cheyenne - und fast dreihundert Kilometer entfernt. Was bedeutete, ich mußte einen Kurzstrecken-›Skybus‹ nehmen, der von der Cheyenner Innenstadt aus flog. Was wiederum bedeutete, daß ich von meiner Bude bis zum Skybus-Bahn-hof ein Taxi nehmen mußte, wenn ich mich für die Parkgebühren nicht dumm und dämlich bezahlen wollte. Was bedeutete...
Ich seufzte noch einmal. Es war wohl besser, wenn ich anfing zu packen.
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Die Magazine und Datenfaxe wissen traditionell nichts Gutes über die vielen Kurzstreckenflugzeuge in der Sioux Nation zu berichten. Zu viele Fluggesellschaften, zu wenig Inspektionen, zu viele Fälle von Pilo-tenversagen, zu wenig ernsthafte Unfalluntersuchungen, drekcetera. Als ich also den Federated-Boeing Com-muter in seinem Sioux-Skybus-Outfit bestieg und mich auf einem Fensterplatz anschnallte, rechnete ich mit einem haarigen Flug.
Fehlanzeige, Chummer, alles lief so glatt wie Kunstseide. Okay, es stimmt, ich konnte an dem etwas zu kleinen Vorhang vorbei und in die Pilotenkanzel sehen, und es störte mich tatsächlich ein wenig, Pilot und Copilot -die per Glasfaserkabel in das Flugsystem eingestöpselt waren - dabei zu beobachten, wie sie eine Partie Crib-bage während des Steigflugs spielten. Aber ansonsten gab es keine Probleme.
Wir landeten um vier Uhr fünfundvierzig auf dem Kurzstreckenterminal des Internationalen Flughafens von Casper, so daß mir fünfzehn Minuten blieben, um mein Gepäck einzusammeln und zum internationalen Terminal zu wechseln. Den Schildern zufolge gab es einen automatischen Rollsteig, der die Passagiere den Kilometer vom einen Terminal zum anderen beförderte. Doch anderen - hastig mit der Hand geschriebenen - Schildern zufolge war der Rollsteig wegen Wartungsarbeiten gesperrt und hätte seit drei Tagen wieder in Betrieb sein sollen, vielen Dank für Ihre Geduld. Es gab auch Shuttle-Busse, aber derjenige, den ich zu erwischen versuchte, war voll - jedenfalls sagte mir das der große, stämmige amerindianische Fahrer, obwohl ich ein Dutzend leere Plätze sah - und rollte fast über meine Zehen, als er losfuhr. Nun, es war sowieso ein netter Morgen für einen kleinen Spaziergang- Ich bekam nicht nur etwas Bewegung, sondern auch einen guten Blick auf das internationale Terminal, der mir auf dem unterirdischen Rollsteig entgangen wäre. Es bietet einen Anblick, den ich mir um nichts in der Welt hätte entgehen lassen wollen... Null! In der Dunkelheit der Dämmerung sah es im grellen Licht der Bogenlampen wie ein überwachsener Raketenbunker aus: Fertig-Stahlbeton mit weniger ästhetischer Anziehungskraft als ein Ziegelstein.
Mit den Suborbitalflugzeugen verhielt es sich jedoch ganz anders. Während ich über den Zufahrtsweg latschte - und dabei lauthals die beiden Shuttle-Busse verfluchte, die an mir vorbeirauschten, ohne auch nur langsamer zu werden -, konnte ich drei dieser Dinger auf dem Rollfeld jenseits des Terminalgebäudes sehen. Glänzend weiß im Licht der Bogenlampen, waren sie wunderschön - geometrisch exakt, als sei die kristalline Reinheit der Mathematik irgendwie Gestalt geworden. Okay, ich gebe es zu, den letzten Vergleich habe ich von einem Trideo-Quatschkopf übernommen. Aber er hatte recht. Die Suborbitalflugzeuge waren umwerfend, auf eine herzbewegende Art unglaublich schön. Sie gehören nicht hierher auf den Boden - das ist der Gedanke, der mir unwillkürlich kam. Die Zeit, die sie hier unten im Drek verbringen, ist reine Wartezeit, bloße Zeitschinderei, bis sie wieder in das Element eintauchen, für das sie geboren wurden...
Das herzerwärmende Gefühl der Ehrfurcht hielt an, bis ich das internationale Terminal betrat, und verschwand exakt eine Mikrosekunde, nachdem ich die Zollbeamten und Sicherheitsinspektoren erblickt hatte, die mich am Ausgang erwarteten. Seufz. Man sollte meinen, die Tatsache, daß ich im Besitz eines Konzerntickets war, würde mir einen Vorteil bei den Inspektoren verschaffen, mir irgendeine Sonderbehandlung garantieren, oder nicht? Pech gehabt, Chummer. (Oder vielleicht -und das war ein schauerlicher Gedanke - war das, was ich durchmachte, die Sonderbehandlung...) Jedenfalls, während ein Haufen Techniker meine Tasche durchsuchte, durchleuchtete, magisch abtastete und sondierte, taten ein paar Trolle mit hartem Blick und hornigen Händen in zu kleinen Uniformen dasselbe mit
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