Haus der Sonne
zu werfen, den Chip unter dem Absatz zu zerquetschen und dann einfach zu rennen wie der Teufel. Diese angenehme Vorstellung hielt jedoch nicht lange an. Ich seufzte, öffnete die Tür und befand mich wieder auf einem Gang innerhalb des Terminals.
Während ich dem Zwerg gefolgt war, hatte ich meinen Flugsteig aus den Augen verloren. Glücklicherweise fiel einem Flughafenangestellten - einem nach Öffentlichkeitsarbeit aussehenden Burschen mit krebsiger Sonnenbräune und Plastiklächeln - auf, daß ich ziemlich verloren dreinschaute. Tatsächlich war er sogar freundlich zu mir - ein Novum für den heutigen Tag - und führte mich direkt zur Abfluglounge von Global Airways.
An dieser Stelle hellten sich die Dinge ein wenig auf. Ich hatte mit dem üblichen, trostlos und steril aussehen-den Pferch mit seinen Plastiksitzen gerechnet, die speziell so konstruiert worden sind, daß es kategorisch unmöglich ist, eine bequeme Sitzposition auf ihnen einzunehmen. Den üblichen fleckigen bürograuen Teppich. Die üblichen Zusteige-Abflug-Durchsagen, die nach allem, was sie an Sinn vermitteln, auch in Urdu vorgetragen werden könnten. Das übliche Gedränge von (Meta-)Menschen, in dem man zu vermeiden versuchte, daß einem jemand auf die Zehen trat, während man das alte Spiel ›Erkenne den Flugzeugentführer spielte.
Aber genau hier kam das Konzernticket ins Spiel, und zwar gewaltig. Der sonnengebräunte Bursche mit dem Plastiklächeln führte mich direkt durch den Pferch, in dem der Pöbel untergebracht war, an einem bewaffneten Sicherheitsposten vorbei, der sich tatsächlich an die Mütze tippte, als ich vorbeiging, und durch eine Doppeltür, die möglicherweise tatsächlich aus echtem Mahagoni war. Als wir hindurchgingen, mein sonnengebräunter Schatten und ich, sah ich ein ganzes Arsenal winziger LED-Anzeigen zu beiden Seiten der Tür aufleuchten. Noch ein Waffendetektor. Ich gratulierte mir ein weiteres Mal zu dem Entschluß, abgesehen von meinem messerscharfen Verstand unbewaffnet zu reisen.
Die Global Airlines Wartelounge für Passagiere der Vorzugsklasse - so lautete die Bezeichnung auf dem Schild an der Tür - sah wie eine Kreuzung aus einem Herrenclub im edwardianischen London (oder zumindest wie dessen BBC-Wiedergabe) und dem Ausstellungsraum eines vornehmen Computerhändlers aus. Massive Holzvertäfelung, weinrote Plüschteppiche, hochlehnige Ledersessel, Kristallkaraffen auf Mahago-nischränkchen... und überall Pinkel, die auf Palmtop-Computern herumhämmerten, in Mobiltelekoms plapperten oder mit spinnwebdünnen Glasfaserkabeln in den Schläfen ins Leere starrten. Von den etwa fünfzehn Leuten in der Lounge waren die einzigen, die nicht mit einem elektronischen oder verbalen Austausch beschäftigt waren, ich, der Sonnengebräunte - der sich nach einer letzten öligen Bemerkung rar machte - und eine besonders wohlgeformte Bardame, deren Lächeln ahnen ließ, daß sie mich wirklich als Kunden brauchte, um ihr den Tag zu versüßen. Aus reiner Herzensgüte gehorchte ich ihr und verbrachte die nächsten zehn Minuten damit, den besten von allen möglichen Single-Malt Scotch Whiskys zu genießen - kostenlosen Single-Malt Scotch Whisky.
Schließlich kam der Aufruf zum Besteigen des Flugzeugs - und zwar in Gestalt einer wohlgeformten und eindeutig zur Gattung der Säugetiere gehörenden Stewardeß -, und wir gingen durch die Einstiegröhre der Vorzugsklasse. Dabei handelte es sich um einen Trans-pex-Zylinder - so sauber geschrubbt, daß man die Wände nur daran erkennen konnte, wie sie das von außen einfallende Licht brachen -, der sich vom Terminalgebäude bis zur Erster-Klasse-Passagiertür des Suborbitals erstreckte. Zwanzig Meter weiter befand sich eine ähnliche Röhre - die mich plötzlich an jene ›Wohnkäfige‹ erinnerten, in denen Kinder ihre Hamster einzusperren pflegen - für die Déclassé, die am Pferch der Billigklasse ihren Anfang nahm.
Ich ging ein paar Schritte in den Wohnkäfig und blieb dann abrupt stehen, womit ich mir einen bösen Blick von dem Shaikujin einhandelte, der mir - immer noch in seinen tragbaren Comp eingestöpselt - in die Hacken trat und gegen meinen Rücken prallte. Ich konnte es nicht ändern. Ich hatte noch nie Gelegenheit gehabt, ein Suborbitalflugzeug aus dieser Nähe zu betrachten, und ich würde sie ganz sicher nicht verstreichen lassen, damit er ein paar Sekunden eher zu seinem Gratis-Gin-Tonic vor dem Start kam.
Das Ding war gewaltig, viel größer, als ich erwartet
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