Haus der Sonne
hatte. Drek, Suborbitalflugzeuge befördern nur ungefähr 150 Personen. Wieviel Platz braucht man dafür? Aber natürlich ist viel mehr an einem Suborbitalflugzeug als nur die Passagierkabine. Da ist zunächst der ganze Kram, den jedes zivile Transportflugzeug hat: Düsentriebwerke, Treibstoff, Fahrgestell, Navigationsdrek, Frachträume und der Platz vorne, wo Mannschaft und Stewardessen ihre Parties feiern. Und dann ist da noch der Extrakram, den man braucht, wenn man in einer Höhe von 23 Kilometern und mit Geschwindigkeiten von Mach 20+ fliegt. SCRAMdüsen, um das Flugzeug auf Flughöhe und Reisegeschwindigkeit zu bringen. Treibstoff für die SCRAMdüsen... und zwar haufenweise (SCRAMdüsen sind nicht für ihren sparsamen Verbrauch berühmt). Kühlsysteme, die den Rumpf davor bewahren, daß er unter der Reibungshitze schmilzt. Und so weiter und so fort. Alles in allem war das Flugzeug länger als ein Fußballfeld, ein großer, Auftrieb erzeugender, einheitlicher Körper mit winzigen Stummelflügeln, die scheinbar nachträglich angeflanscht worden waren. Die Linien des Rumpfes folgten irgendeinem komplexen - und sehr schönen - Vielfach-krümmungsmuster, so daß das Ding an der Nase breit und hoch, nach hinten aber schmaler und dünner wurde: vielleicht so etwas wie ein asymmetrischer Tropfen.
Schließlich wurde der Druck des Shaikujm hinter mir zu stark, um ihn noch länger zu ignorieren, und ich mußte weitergehen. Einmal im Innern, hätte ich mich ebensogut auch in jedem beliebigen Flugzeug befinden können - Reihen um Reihen von Sitzen in einer Drei-Mittelgang-Drei-Anordnung -, wenn man von einem winzigen Detail absah: keine Fenster. Das an der Rückenlehne des Sitzes vor mir angebrachte Unterhaltungsarsenal entschädigte für diesen Mangel, entschied ich rasch, als ich meinen Platz gefunden hatte. Abgesehen von der üblichen Auswahl hirnloser Filme und noch hirnloserer ›klassischer Tri-V‹-Wiederholungen, boten mehrere der angebotenen Programme Bilder von verschiedenen, am Rumpf befestigten Mikrokameras.
Während die Stewardessen kostenlose Getränke und geschmacklose Imbisse verteilten - nur an die Passagiere der ersten Klasse, nicht an die große ungewaschene Flugvieh-Klasse, die eine Reihe hinter meinem Sitz begann -, fand ich großen Gefallen daran, den Gepäck-Kulis zuzusehen, die die Koffer der Leute harten Belastungstests unterzogen, da sie sie an Bord warfen.
Dann wurde uns die übliche Sicherheitsvorlesung gehalten - was man in einem Notfall zu tun hatte wie zum Beispiel, wenn der Kombüse die Bloody-Mary-Mi-schung ausging -, dann rollten wir an, und dann hoben wir ab. Auf dem Bildschirm in der Rückenlehne vor mir sah ich den Boden unter uns zurückfallen, zu einem maßstabsgetreuen Modell und schließlich zu einer Konturenkarte werden. Geschwindigkeit und Steigwinkel kamen mir - zumindest bei meiner geringen Erfahrung - ziemlich extrem vor. Aber dann setzten die SCRAMdüsen ein - tatsächlich warnte uns der Pilot sogar, bevor er sie zündete -, und ich bekam eine Vorstellung davon, was ›schnell‹ und ›steil‹ tatsächlich heißt. Lächerlich kurze Zeit später kam eine Stimme über Interkom, die uns mitteilte, daß wir unsere Flughöhe von 23 000 Metern erreicht hatten und mit der irrwitzigen Geschwindigkeit von 29000 Stundenkilometern flogen.
»Wir sind auf Kurs und pünktlich«, verkündete die freundliche Stimme, »und dürften gegen vier Uhr fünfzig örtlicher Zeit in Awalani landen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Flug.« Ich sah auf die Uhr, die ich bereits auf Hawai'ier Zeit eingestellt hatte: ein paar Minuten nach vier. Damit belief sich die Gesamtflugzeit Cas-per-Honolulu einschließlich Start und Landung auf weniger als eine Stunde. Ist der Fortschritt nicht wunderbar?
Mit einigem Bedauern schaltete ich den Blick nach draußen - ein entfernter Horizont, der eine eindeutige Krümmung aufwies - auf dem Bildschirm in der Rük-kenlehne vor mir ab und versuchte mich aufs Geschäft zu konzentrieren. Ich war noch nie zuvor im Königreich Hawai'i gewesen und wußte praktisch nichts darüber (mit Ausnahme dessen, was ich in Trid-Actionserien wie Tropische Hitze gesehen hatte). Klar, ein paar von den Möchtegern-Runnern, die in zwielichtigen Bars herumhängen und sich Gott weiß was einbilden, erzählen einem, daß die Schatten überall auf der Welt gleich sind. Aber das habe ich noch nie geglaubt. Drek, aus meiner eigenen bescheidenen Erfahrung weiß ich, daß es nicht so
Weitere Kostenlose Bücher