Haus der Vampire 01 - Verfolgt bis aufs Blut-ok
werden (Vielleicht wenn ich keinen Tee oder Kaffee trinke?), und dachte daran, wie sauer Shane sein würde, wenn er herausfand, dass sie gegangen war und sich hatte umbringen lassen. Auf dem Campus, am helllichten Tag.
Die Vampire bogen um eine Ecke aus Schachteln und dort, in einem freien Raum, befand sich eine Tür, die nicht zum Treppenhaus führen konnte. Es war eine Aufzugtür mit einem »Nach unten« Knopf, daneben ein altersschwaches Schulpult, ein Stuhl und... »Professor Wilson?«, platzte sie heraus. Er sah auf und blinzelte hinter seinen Brillengläsern. Er war ihr Professor für klassische englische Literatur (montags, mittwochs und freitags um zwei Uhr), der zwar langweilig war, aber Ahnung von seinem Stoff hatte. Er sah verblasst aus und grau - graue Haare, blasse graue Augen - und er neigte dazu, sich in Farben zu kleiden, die ihn noch blasser erscheinen ließen. Heute trug er ein weißes Hemd und ein graues Jackett.
»Ah. Du bist«, er schnipste zwei- oder dreimal mit den Fingern, »in meiner Shakespeare-Einführung...«
»Klassische englische Literatur.«
»Ja, genau. Sie ändern ab und zu den Titel, um die Studenten dazu zu bringen, die Vorlesung noch einmal zu besuchen. Neuberg, nicht wahr?« Angst stand in seinen Augen. »Du bist doch dazu eingeteilt, mir hier zu helfen, oder?«
»Ich...« Ihr ging ein Licht auf. Vielleicht war dies gerade ein guter Zeitpunkt, einen falschen Eindruck von sich entstehen zu lassen. »Ja. Bin ich. Von... Miss Samson.« Miss Samson war der Drache aus der Englischen Fakultät; jeder wusste das. Niemand stellte sie infrage. Was Ausreden anging, war Claires Lüge dünn wie Papier, aber es war alles, was sie hatte. »Ich habe sie gesucht«
»Und die Tür war offen?«, fragte John und sah auf sie hinunter. Sie fixierte ihren Blick auf Professor Wilson, der sie wahrscheinlich nicht hypnotisieren würde, damit sie die Wahrheit sagte.
»Ja«, sagte sie fest. »Sie war offen.« Das einzig Gute an dem Kanister auf ihrem Rücken war, dass er zumindest wie etwas aussah , das ein College-Student mit Suppe oder Kaffee darin bei sich tragen könnte. Und er sah nicht unbedingt wie etwas aus, mit dem man Schlösser knackte. Inzwischen musste sich der flüssige Stickstoff bereits zu Luft sublimiert haben, sodass jeder Beweis vernichtet war.
Das hoffte sie zumindest.
»Gut, denn«, sagte Wilson und schaute sie stirnrunzelnd an. »Du gehst jetzt besser an die Arbeit, Neuberg. Wir haben viel zu tun. Du weißt, wonach wir suchen?«
»Ja, Sir.« John ließ ihre Schulter los. Nach ein paar Augenblicken ließ auch Angela sie widerstrebend frei und Claire ging zu dem Pult, zog sich einen Holzstuhl heran und stellte Rucksack und Kanister sorgsam auf den Boden.
»Kaffee?«, fragte John hoffnungsvoll.
»Nein, danke«, sagte sie höflich und zog den ersten Bücherstapel zu sich heran.
***
Die Arbeit war interessant, was merkwürdig war, und die Vampire wurden immer weniger Furcht einflößend, je länger sie in ihrer Gesellschaft war. Angela war zappelig, sie klopfte ständig mit dem Fuß oder flocht ruhelos ihre Haare oder rückte Bücherstapel gerade.
Die Vampire schienen nur als Aufsicht hier zu sein; wenn Professor Wilson und Claire alle Bücherberge durchgeschaut hatten, nahmen sie sie weg und brachten neue Bücher zum Überprüfen.
»Woher stammen die alle?«, fragte sich Claire laut und nieste, als sie ein Buch öffnete, auf dem Landregister von Atacosa County stand und dessen Seiten in uralter Schrift eng beschrieben waren. Namen, Daten, Maße. Nicht das, was sie suchten.
»Von überall«, sagte Professor Wilson und schloss das Buch, das er durchgeblättert hatte. »Secondhandläden. Antiquariate. Buchhändler. Sie haben ein Netzwerk, das um die ganze Welt reicht, und alles kommt zur Untersuchung hierher. Wenn das, was sie suchen, nicht dabei ist, geht es wieder raus. Sie machen damit sogar Profit, habe ich gehört.«
Er räusperte sich und hielt ein Buch hoch, das er eben angeschaut hatte. »John? Das ist eine Erstausgabe von Lewis Carroll. Ich denke, du solltest es beiseitelegen.«
John nahm es pflichtbewusst und legte es auf einen Stapel, der, wie Claire glaubte, seltene und wertvolle Bücher enthielt.
»Wie lange machen Sie das schon, Professor?«, fragte sie. Er sah müde aus.
»Seit sieben Jahren«, sagte er. »Vier Stunden pro Tag. Bald kommt jemand und löst uns ab.«
Uns bedeutete, dass sie hier herauskommen würde. Nun, das war fabelhaft. Sie hatte gehofft,
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