Haus der Vampire 01 - Verfolgt bis aufs Blut-ok
dass sie zumindest eine Notiz mit dem Professor würde hinausschmuggeln können, etwa FALLS IHR MEINE LEICHE FINDET - ICH WURDE VON MISS PINK IN DER BIBLIOTHEK UMGEBRACHT, aber das klang sehr nach dem Brettspiel, das ihre Eltern so gern spielten.
»Keine Unterhaltungen während des Unterrichts«, sagte John und lachte. Als er das tat, fuhren seine Eckzähne herunter. Seine waren länger als Brandons und sahen irgendwie furchterregender aus. Claire schluckte und konzentrierte sich auf das Buch vor sich. Der Titel lautete Einheimische Getreidearten der Neuen Welt . Ein ganzes Buch über Getreide. Wow. Sie fragte sich, wie Professor Wilson all die Jahre bei Verstand bleiben konnte. Mais gehört zur Familie der Süßgräser und wächst ursprünglich auf dem amerikanischen Kontinent ... Sie überblätterte einige Seiten. Noch mehr über Mais. Sie fragte sich, wie man so viel über eine Pflanze schreiben konnte.
Neben ihr stieß Professor Wilson einen gedämpften Fluch aus und sie schaute erschrocken auf. Sein Gesicht war blass geworden, abgesehen von zwei roten Flecken oben auf den Wangen. Er täuschte rasch ein Lächeln vor und hielt einen Finger hoch, an dem ein roter Streifen zu sehen war. »Papierschnitt«, sagte er. Seine Stimme klang hoch und angespannt; Claire folgte seinem erstarrten Blick und entdeckte Angela und John, die sich näherten und den Finger des Professors mit gespenstischer Konzentration beobachteten.
»Es ist nichts. Überhaupt nichts.« Er grub in seiner Tasche nach einem Taschentuch und wickelte es um den blutigen Finger. Dabei fiel das Buch, das er gerade durchgesehen hatte, auf den Boden. Claire bückte sich automatisch, um es aufzuheben, aber Wilson hakte es mit dem Fuß ein und kickte es aus ihrer Reichweite. Er beugte sich vor und in der Dunkelheit unter dem Pult tauschte er Bücher aus.
Claire beobachtete ihn mit offenem Mund. Was zum Teufel tat er da? Bevor sie etwas Dummes machen konnte, das ihn womöglich verraten hätte, erklang vom Aufzug auf der anderen Seite des Raums ein heller Gong, dann das Geräusch sich öffnender Türen.
»Ah«, sagte Wilson sichtlich erleichtert. »Zeit zu gehen.« Er fasste hinunter, hob das versteckte Buch auf und ließ es mit solcher Geschicklichkeit in seine Ledertasche gleiten, dass Claire sich nicht ganz sicher war, dass sie es überhaupt gesehen hatte. »Komm mit, Neuberg.«
»Die nicht«, sagte John und lächelte fröhlich. »Sie muss noch nachsitzen.«
»Aber...« Claire biss sich auf die Lippen und suchte verzweifelt Augenkontakt mit dem Professor herzustellen, der finster dreinblickte und sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte. »Sir, kann ich nicht mit Ihnen kommen? Bitte!“
»Doch, natürlich«, sagte er. »Ich sagte doch, komm mit. Mr Hargrove, wenn Ihnen das nicht passt, dann wenden Sie sich bitte an die Verwaltung. Ich habe jetzt Unterricht.«
Er hätte das auch durchsetzen können, wenn Angela nicht so scharfe Augen gehabt hätte oder so misstrauisch gewesen wäre; sie hielt ihn auf, als er schon halb am Aufzug war, öffnete seine Aktentasche und nahm das Buch heraus, das er dort verstaut hatte. Sie blätterte es schweigend durch, reichte es dann John, der es auch noch einmal durchschaute. Beide schauten den Professor mit ruhigen, kühlen Augen an, die seltsam erfreut wirkten.
»Nun«, sagte Angela, »ich weiß ja nicht, aber das sieht mir nach einer Verletzung der Regeln aus, Professor. Bücher aus der Bibliothek mitzunehmen, ohne sie auszuchecken. Was für eine Schande.«
Sie schlug geflissentlich die erste Seite auf und las: »Es war die beste Zeit, es war die schlimmste Zeit...«, und dann blätterte sie das Buch sorgfältig durch, hielt an willkürlichen Stellen inne und las Textzeilen vor. Alles klang richtig für Claire. Sie zuckte zusammen, als ihr Angela das Buch hinschob. »Lies«, sagte die Vampirin.
»Ähm... wo?«
»Irgendwo.« Claire las stockend ein paar Zeilen von Seite 229 vor.
»Charles Dickens' Eine Geschichte aus zwei Städten «, sagte John. »Lassen Sie mich raten, Professor... eine Erstausgabe?“
»Neuzustand«, sagte Angela und riss es Claire aus den zitternden Händen. »Ich glaube, der Professor hat einen hübschen kleinen Plan für seine Pension, den er dadurch verwirklicht, dass er uns um unsere rechtmäßigen Profite bringt.“
»Hm«, sagte John. »So dämlich sah er gar nicht aus. Er hat schließlich all diese Titel und so.«
»Das ist nur auf dem Papier. Man kann nie sagen, was
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