Haus der Vampire 02 - Der letzte Kuss-ok
Wohnzimmer. Der Fernseher war an, es lief eine Gerichtsmedizin-Show. Shane saß zusammengesunken auf der Couch und stierte auf den Bildschirm. Keine Spur von Eve und Michael. Claire zögerte, sie dachte sehnsüchtig an ihr Bett und daran, all das für eine Weile zu vergessen. Aber Shane sah einfach so... allein aus.
Sie ging hin und ließ sich neben ihm nieder. Sie sagte nichts, er auch nicht, und nach einer Weile legte er den Arm um sie und das war in Ordnung so.
Sie schlief an seinen warmen Körper gelehnt ein.
Es war schön.
***
Claire sagte sich, sie hätte darauf vorbereitet sein müssen, dass Shane Albträume haben würde – schlimme Albträume –, aber sie hatte nie richtig darüber nachgedacht. Als Shane zuckte und von der Couch rollte, plumpste sie flach auf die Kissen. Der Fernseher war noch immer an, ein flackerndes Durcheinander von Farben, und unter dem Schleier des unterbrochenen Schlafs musste sich Claire erst mal orientieren, um zu begreifen, was vor sich ging.
»Shane?«
Er lag auf seiner Seite auf dem Fußboden, schlotternd und zu einer Kugel zusammengerollt. Claire rutschte neben ihm zu Boden und legte ihre Hände auf seinen breiten Rücken. Unter dem dünnen T-Shirt war seine Haut klamm, seine Muskeln waren angespannt wir Stahlkabel. Er gab Laute von sich, ein qualvolles Keuchen, das nicht direkt ein Schluchzen war, aber auch nicht direkt keines.
Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte sich in den letzten Stunden oft hilflos gefühlt, aber das hier war irgendwie noch schlimmer, weil Michael und Eve nirgends zu sehen waren. Außerdem war sie sich nicht sicher, ob Shane gewollt hätte, dass sie ihn so sahen. Oder ob er gewollt hätte, dass sie ihn so sah. Sein Stolz ging Shane über alles.
»Mir geht’s gut«, keuchte er. »Ich bin okay. Ich bin okay.« Er klang nicht okay. Er klang ängstlich und er klang wie ein kleiner Junge.
Es gelang ihm, sich aufzusetzen. Claire schlang ihre Arme um ihn, umarmte ihn fest und nach einigen Sekunden gab er seinen Widerstand auf, ließ sich gegen sie sinken und umarmte sie ebenfalls. Er streichelte ihr Haar, als wäre sie zerbrechlich.
»Schhhh«, flüsterte sie ihm zu, wie ihre Mutter es immer getan hatte, wenn alles schlecht lief. »Du bist hier. Du bist in Sicherheit. Du bist okay.« Denn wo immer er in seinen Träumen gewesen war, dort war er nichts davon gewesen. Wenn sie erwartet hatte, dass er darüber sprach, wurde sie enttäuscht. Er zog sich zurück, mied ihren Blick und sagte: »Du solltest schlafen gehen.«
»Klar«, sagte sie. »Nach dir.«
»Kann nicht schlafen.« Wahrscheinlich wollte er eher nicht. Seine Augen waren rot und trübe vor Erschöpfung. »Ich brauche einen Kaffee oder so was.«
»Cola?«
»Was auch immer.«
Sie holte eine für ihn und Shane stürzte sie hinunter wie ein Stundentenverbindungstyp an der Bar. Er rülpste und zuckte als Entschuldigung mit den Achseln. »Wo ist Michael?« Sie breitete die Hände aus. »Eve?« Sie deutete durch eine weitere Geste an, dass sie es nicht wusste. »Na ja, zumindest kann jemand von uns gut schlafen. Sind sie zusammen?«
Claire blinzelte. »Ich... keine Ahnung.« Sie hatte eigentlich nicht darüber nachgedacht. Sie hatte sie nicht gehen sehen, wusste nicht, ob jeder in sein eigenes Zimmer gegangen war oder ob Eve schließlich doch noch den Mut aufgebracht hatte, Michael etwas anderes vorzuschlagen. Er würde nämlich nie und nimmer den ersten Schritt unternehmen. Das entsprach irgendwie nicht Michaels Charakter.
»Himmel, ich hoffe doch«, sagte Shane. »Sie haben sich ein bisschen Spaß verdient, selbst in dieser Hölle.« Er meinte das nicht ernst, aber irgendwie dann doch. Er sah Morganville tatsächlich als Hölle. Claire musste zugeben, dass er damit nicht ganz unrecht hatte. Es war die Hölle und sie waren die verlorenen Seelen. Die Nacht neigte sich dem Morgen zu und sie fühlte sich, als würde sie schon seit sehr, sehr langer Zeit in Angst leben...
Er betrachtete sie aufmerksam, auf eine Art, die sie wie Wärme auf der Haut fühlte, wie einen leichten Sonnenbrand.
»Was ist mit uns?«, hörte sie sich selbst sagen. »Verdienen wir nicht auch ein bisschen Spaß?«
Das habe ich jetzt nicht wirklich gesagt.
Hatte sie aber.
Er lächelte. Sie fragte sich, ob die Schatten seine Augen jemals wieder verlassen würden. »Ich könnte durchaus ein bisschen Spaß vertragen.«
»Hm...« Sie leckte sich die Lippen ab. »Definiere Spaß.«
»Lass das, du frühreifes
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