Haus der Vampire 02 - Der letzte Kuss-ok
Er legte ihr beide Hände auf die Schultern und zog sie in eine Umarmung. Sie bemerkte, dass sie zitterte, und dann kamen die Tränen, eine ganze Flut davon, und sie hielt sich an den Aufschlägen seiner Jacke fest und weinte herzzerreißend. Hess strich ihr über das Haar. »Bring mir Beweise, dass er nichts mit Brandons Tod zu tun hat, und ich schwöre dir, alles zu tun, was in meiner Macht steht. Aber bis dahin sind mir die Hände gebunden.«
Der Gedanke, dass Shane in diesem Käfig verbrannt werden könnte, war das Schlimmste, was sie sich je vorgestellt hatte. Reiß dich zusammen, dachte sie wütend. Du bist alles, was er hat! Also atmete sie tief und zitternd durch und löste sich aus Hess’ Umarmung, wobei sie sich mit dem Ärmel ihres T-Shirts die Tränen aus dem Gesicht wischte. Hess bot ihr ein Papiertaschentuch an. Sie nahm es, putzte sich die Nase und kam sich bescheuert vor. Sie fühlte Eves Hand auf der Schulter, noch bevor sie wusste, dass sie hinter ihr stand.
»Gehen wir«, sagte Eve. »Wir haben noch zu tun.«
***
Es war Michael, der im Hauseingang gestanden hatte, als sie auf ihrem Weg zum Founder’s Square vorbeigefahren waren, und er stand wieder im Hauseingang, als sie jetzt vor 716 Lot Street anhielten. Gretchen öffnete die hintere Autotür, um Eve und Claire aussteigen zu lassen. Claire schaute sich um; Hess saß noch immer auf dem Rücksitz und blickte ihnen nach. Er machte keine Anstalten, mit ihnen auszusteigen. »Detective?«, fragte sie. Eve war schon halb den Gartenweg entlanggegangen, sie bewegte sich schnell. Claire wusste, dass die erste Regel in Morganville »Nicht im Dunkeln herumhängen« lautete, aber sie tat es trotzdem.
»Ich fahre zurück zur Wache«, sagte er. »Hans und Gretchen setzen mich dort ab. Alles in Ordnung.«
Ihr gefiel der Gedanke nicht, jemanden mit Hans und Gretchen allein zu lassen, aber er war der Erwachsene und musste wissen, was er tat, oder? Sie nickte und trat zurück. Dann drehte sie sich um und rannte den Rest des Weges, die Stufen hinauf und ins Haus.
Michael hatte Eve hineingezogen, aber nicht besonders weit; Claire wäre beinahe in die beiden hineingerannt, als sie über die Schwelle stürmte. Sie schlug die Tür zu und verriegelte sie – Shane oder Michael hatte die Schlösser noch einmal gewechselt und durch weitere ergänzt – dann fuhr sie herum und sah, dass Michael Eve umarmt hielt und sie so sehr an sich drückte, dass sie fast in seinen Armen verschwand. Er sah Claire über Eves Schulter hinweg kummervoll an. »Was zum Teufel geht hier vor? Wo ist Shane?«
Oh Gott, er wusste es noch nicht. Warum wusste er es nicht? »Was ist passiert?«, platzte sie heraus. »Warum hast du ihn gehen lassen?«
»Shane? Ich hab ihn überhaupt nirgendwohin gehen lassen . So wenig wie ich euch mitten am Tag völlig ungeschützt gehen ließ. Sein Dad hat angerufen. Er ging einfach weg. Es war immer noch hell. Es gab nichts, was ich hätte tun können.« Michael schob Eve ein wenig von sich weg und schaute sie an. »Was ist passiert?«
»Brandon ist tot«, sagte Eve. Sie versuchte nicht, es abzumildern, und ihre Stimme war hart wie eine Eisenstange. »Sie haben Shane für seinen Mord in einen Käfig am Founder’s Square gesteckt.«
Michael sank gegen die Wand, als hätte ihm jemand in den Magen geschlagen. »Oh«, flüsterte er. »Oh, mein Gott.«
»Sie werden ihn töten«, sagte Claire. »Sie werden ihn bei lebendigem Leibe verbrennen.«
Michael schloss die Augen. »Ich weiß. Ich erinnere mich.« Oh Shit, er hatte schon mal gesehen, wie es gemacht wurde. Eve ebenfalls. Sie erinnerte sich, dass sie es schon mal erwähnt hatten, wobei sie ihr aber die Details erspart hatten. Michael atmete einige Sekunden tief durch, dann sagte er: »Wir müssen ihn da rausholen.«
»Ja«, sagte Eve. »Ich weiß. Aber mit ›wir‹ meinst du wohl Claire und mich, oder? Denn du nützt uns verdammt noch mal überhaupt nichts.«
Sie hätte ihm genauso gut ins Gesicht schlagen können, dachte Claire. Michaels Kinnlade klappte herunter und sie sah den Schmerz in seinen Augen. Eve hatte das wohl nicht gesehen. Sie wandte sich abrupt ab und stapfte schnell davon.
»Claire!«, rief sie über ihre Schulter. »Los, komm! Beweg dich!«
Claire sah Michael bekümmert an. »Tut mir leid«, sagte sie. »Sie hat es nicht so gemeint.«
»Doch, hat sie«, sagte er leise. »Und sie hat recht. Ich nütze euch nichts. Shane nütze ich auch nichts. Wofür bin ich eigentlich gut?
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