Haus der Versuchung
Sie fühlte sich ungeheuer gekränkt. »Na, dann sag du einfach, worüber wir reden sollen«, meinte sie spitz. »Denn mit allem, was ich vorschlage, scheine ich ja danebenzuliegen.«
»Nat, es tut mir leid«, antwortete Jan und beugte sich über den Tisch näher zu ihrer Freundin. »Ich würde es dir gern erzählen, ehrlich, aber ich darf nicht.«
»Dann halt nicht. Ich glaube, ich möchte kein Dessert. Lass uns nur noch einen Kaffee nehmen, und dann geht jeder seiner Wege, ja?«
»Ach, zum Teufel mit denen«, sagte Jan. »Hör zu, Nat.« Sie sprach im Flüsterton. »Ich werde dir von meinem Wochenende erzählen, aber du darfst niemals irgendjemand etwas davon verraten. Falls du das tust, ruinierst du mir alles. Versprichst du das, bevor ich anfange?«
Jetzt war Natalie elektrisiert. »Klar. Du weißt doch, wie gut ich ein Geheimnis bewahren kann.«
»Ja, das solltest du auch, denn indem ich es dir erzähle, riskiere ich alles. Das Haus, in dem ich war, heißt Haven. Es liegt in Sussex. Ein Mädchen bei der Arbeit hat mir davon erzählt. Die machen nämlich keine Werbung, weißt du. Man muss über Mundpropaganda davon erfahren und von jemand empfohlen werden, der schon einmal dort war, damit man überhaupt hinkann.«
»Aber warum?«, fragte Natalie erstaunt. »Muss man etwa wahnsinnig fit sein oder was?«
»Wohl kaum, sonst hätte ich ja keine Chance gehabt. Nein, genau genommen ist es ein Wochenendseminar.«
»Ein Businessseminar? Ich habe aber keine Lust, bei einem Wochenendausflug zu arbeiten. Ich will mich erholen.«
»Es ist ein Sexseminar.«
Natalie traute ihren Ohren nicht. »Was um Himmels willen meinst du damit?«
»Genau das, was ich sage. Leute kommen dorthin, um zu lernen, wie sie ihr sexuelles Potenzial ausschöpfen, allerdings ein ganz besonderes Potenzial. Weißt du, das Ganze ist für Frauen wie dich und mich gedacht und für Männer, die bei der Arbeit permanent andere kontrollieren. Sie lehren dich, wie du die Kontrolle deinem Partner überlässt, damit er dir Lust bereitet. Ich habe einen der Lehrer mal vom ›Haus der Versuchung‹ sprechen hören, und das trifft es genau.«
»Ich glaube, ich höre nicht recht«, sagte Natalie erstaunt. »Du willst mir doch nicht erzählen, dass –«
»Red um Himmels willen leise.« Jan schaute sich nervös um.
»Entschuldige. Du willst mir doch nicht weismachen, dass du devot geworden bist, oder?«
»Doch«, gestand Jan. »Anfangs war es unglaublich schwer. Ehrlich gesagt hatte ich Zweifel, überhaupt den ersten Tag und die erste Nacht durchzustehen, aber ich hatte mir fest vorgenommen, es zu versuchen. Aber seien wir mal ehrlich, mein Sexleben war wirklich nicht allzu prickelnd, solange alles nach meinen Vorstellungen lief. Also hatte ich nichts zu verlieren. Und sobald ich angefangen hatte, mich zu unterwerfen und zu tun, wie mir befohlen, da lief es so großartig, dass ich unbedingt weiterlernen wollte.«
»Wozu haben die dich denn gezwungen?«
Jan schüttelte den Kopf. »Also das kann ich dir wirklich nicht erzählen.«
»Ich kann ja verstehen, dass diese Leute den Ort geheim halten wollen«, sagte Natalie. »Was ich nicht verstehe, ist, warum ich nichts von dir gehört habe, seit du von dort zurück bist.«
»Weil ich mich immer noch mit ganz vielen treffe, die gleichzeitig mit mir im Haven waren. Wir feiern reihum Partys bei einem zu Hause oder verabreden uns zu Abendessen, aus denen immer etwas viel Aufregenderes wird. Das Problem ist, dass man uns verboten hat, dazu Leute einzuladen, die noch nicht im Haven waren. Deshalb konnte ich dich auch nicht mit einbeziehen. Und was das Schlimme daran ist, Nat, ich bin inzwischen schon so verrückt danach, dass ich mir kaum einen Abend entgehen lassen mag, nicht einmal um dich, meine beste Freundin, zu sehen.«
Natalie konnte Jan ansehen, dass es sie schon anmachte, auch nur daran zu denken. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen strahlten, und die Hand, die das Weinglas hielt, zitterte leicht. Plötzlich wollte Natalie sich auch so fühlen und etwas haben, das sie erregte – oder ganz direkt formuliert: Auch sie wollte wirklich befriedigenden Sex. »Meinst du, ich könnte ebenfalls dorthin?«, fragte sie.
Jan runzelte die Stirn. »Ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass es dir gefallen würde. Ich habe es ziemlich vereinfacht dargestellt. Das Haus wird sehr streng geführt, und wenn du nicht tust, wie dir geheißen, also…« Sie verstummte.
»Also was?«, hakte Natalie nach.
»Dann wirst du
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