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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
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»Ist das so richtig?«
    »Wunderbar. Danke.«
    Sie drehte das Papier zu einer Rolle und hielt diese als provisorisches Hörrohr an die Bauchdecke. Sie hörte Hannas Puls, die Darmgeräusche. Doch da war noch ein weiteres Geräusch, fast überlagert von den anderen. Ein feines, gleichmäßiges, schnelles Pochen. Sie lächelte und winkte Wilhelm, näher zu kommen. »Das sollten Sie hören«, sagte sie und überließ ihm das Rohr.
    »Was ist das?«
    »Das Glucksen ist Hannas Darm, das regelmäßige laute Pochen ihre Hauptschlagader. Das leise schnelle Klopfen aber ist der Herzschlag Ihres Kindes.«
    Hannas Augen schimmerten feucht, Wilhelm schluckte hörbar und presste das Rohr erneut an sein Ohr.
    »Heißt das, dass …«
    »Dass alles in Ordnung ist, Hanna«, sagte Victoria. »Die lange Reise war offenbar zu viel für Sie. Vielleicht haben Sie sich auch den Magen verdorben.«
    »Und was können wir tun?«
    »Ruhe, leichtes Essen wie zum Beispiel eine salzige Brühe, Kamillentee, kein rohes Gemüse, nur mildes Obst. Diese Maßnahmen haben sich stets bewährt.«
    »Ich danke Ihnen!«, rief Wilhelm aus und schüttelte ihr die Hand.
    »Siehst du, mein Lieber? Wie weise von mir, dass der Kaffeetisch bereits gedeckt ist!«
    »Willst du wirklich aufstehen, Hanna? Victoria, sollte sie nicht im Bett bleiben?«
    »Hören Sie ruhig auf Ihre Frau. Sie spürt am besten, was ihr guttut.«
    Er half Hanna aus dem Bett und führte sie zu einem der Sessel. Sie wirkte etwas unsicher auf den Beinen.
    »Wie ist es mit Bananen?«, fragte Hanna.
    »Bananen sind perfekt.«
    »Setzen Sie sich.« Wilhelm schob ihr den Stuhl zurecht, bevor er selbst Platz nahm. »Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet.«
    Victoria schüttelte den Kopf. »Wohl kaum. Ich habe nichts getan.«
    »Doch. Sie haben uns Hoffnung gegeben.«
     
    Die Anhänger der Mau demonstrierten wieder. Seit den frühen Morgenstunden standen sie vor dem Rathaus von Apia und riefen heraus, was sie verlangten – die Unabhängigkeit Samoas von Deutschland und die Selbstverwaltung der Samoaner unter einer von ihnen bestimmten Regierung. Ihre Sprechchöre waren bis in das Büro des Gouverneurs zu hören.
    Wilhelm stand am Fenster und sah auf den Platz hinunter, während Hanna und Victoria am Kaffeetisch saßen.
    »Ich kann nicht mehr lange tatenlos zusehen«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Der Oberst verlangt ein hartes Durchgreifen. Die Bevölkerung ist beunruhigt, die Tumua erwarten eine Reaktion. Aber wenn wir die Aufständischen verhaften, was geschieht dann? Wird es nicht einen Bürgerkrieg geben? Einen bewaffneten Konflikt zwischen den Deutschen und den Samoanern? Werden sich die Tumua doch auf die Seite der Pule schlagen? Ich habe die Samoaner noch nie kämpfen sehen. Ich weiß nicht, wie entschlossen sie sind. Und ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich es darauf anlegen möchte, dies herauszufinden.« Er wandte sich um. »Was sagt Ihr Gatte zu den Demonstrationen, Victoria?«
    »Taisi gehört nicht zu den Mau, er ist nicht einmal ein Pule. Ich glaube, zwei seiner Vettern gehören zu den Mitgliedern, aber er selbst mischt sich da nicht ein. Er sagt, die Zeit sei noch nicht reif. Obwohl er auch sagt, dass er das Anliegen der Mau prinzipiell verstehen könne.«
    »Das habe ich mir gedacht. Taisi ist ein vernünftiger, besonnener Mann. Deshalb würde ich gerne seine Meinung dazu hören. Am besten, bevor die Pickelhauben sich allzu viel Gehör verschafft haben und das Volk nach Blut lechzt.« Wilhelm rieb sich das Kinn. »Meinen Sie, Sie könnten ein Treffen zwischen uns arrangieren? Ganz inoffiziell natürlich. Nicht im Rathaus, vielleicht nicht einmal in Apia, sondern irgendwo am Strand. Nur er und ich. Keine Protokolle, keine Sekretäre. Zwei Männer, denen das Wohlergehen ihres Landes und seiner Einwohner am Herzen liegt. Meinen Sie, er würde zustimmen?«
    »Gewiss. Ich kann ihn gerne fragen.«
    »Es müsste allerdings umgehend stattfinden. Der Konflikt spitzt sich von Stunde zu Stunde zu, und ich möchte verhindern, dass die Plantagenbesitzer beginnen, das Recht selbst in die Hand zu nehmen. Ich fürchte, es gibt unter ihnen nicht wenige, die zu überaus drastischen Methoden greifen würden.«
    Wilhelm wandte sich wieder dem Fenster zu. Der Gouverneur wirkte krank. Die Angelegenheit schien an ihm zu zehren. Dass die Auseinandersetzung der Mau mit der Regierung mittlerweile eine derart große Brisanz angenommen hatte, war ihr neu. In Tanugamanono hörte man nicht

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