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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
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nicht zuletzt wegen des großen Altersunterschieds der beiden.
    Taisi küsste sie. Das Wasser tropfte aus seinen Haaren auf ihre sonnenwarme Haut und ließ sie erschauern.
    »Wie viel Zeit haben wir noch?«, fragte sie leise.
    »Mehr als genug«, antwortete er. »Wir werden erst zur Mittagszeit erwartet.«
     
    Als sie um die Mittagszeit in Tanugamanono ankamen, wartete ein Bote auf sie. Er überbrachte Victoria eine kleine Karte mit Hanna Solfs Namen. Auf der Rückseite stand in ihrer schönen Handschrift:
»Liebste Freundin, sollten Sie Zeit haben, würde ich mich freuen, Sie heute Nachmittag um vier Uhr zum Kaffee in unserem Haus in Vailima begrüßen zu dürfen. Mit herzlichen Grüßen, Hanna Solf.«
    Victoria lächelte. Hanna und Wilhelm Solf waren einige Wochen verreist gewesen und erst vor zwei Tagen wieder nach Samoa zurückgekehrt. Sie freute sich, von der Freundin zu hören.
    »Ich komme gern«, sagte sie zu dem Jungen. Er nickte und lief davon.
    Als sie pünktlich um vier Uhr in Vailima ankam, öffnete einer der Hausangestellten. »Die Herrschaften erwarten Sie im Schlafzimmer«, sagte er und führte sie die Treppe hinauf.
    Im Schlafzimmer?
Victoria wunderte sich. Sie mochte Hanna, sie waren miteinander befreundet. Wie Wilhelm stets betonte, waren sie beide aus »demselben Holz geschnitzt«. Aber die Schlafstube war doch ein ungewöhnlicher Ort für ein Treffen.
Hoffentlich war Hanna nicht ernsthaft erkrankt!
    Der Diener klopfte.
    Wilhelm selbst öffnete die Tür. »Es freut mich, dass Sie die Zeit gefunden haben zu kommen«, sagte er und schüttelte ihr herzlich die Hand.
    Sie trat ins Zimmer. Ein kleiner Kaffeetisch war für drei Personen gedeckt, aber Hanna fehlte.
    »Meine Frau ist unpässlich«, sagte er, und Victoria fiel auf, dass er nervös war. Auf seiner hohen Stirn glänzten kleine Schweißperlen. »Deshalb dachten wir, Sie könnten nach ihr sehen. Verzeihen Sie die Ausrede mit der Einladung zum Kaffee.«
    »Was erzählst du nur für einen Unsinn, Wilhelm!« Hannas Stimme kam vom Bett her, das hinter einem Paravent verborgen war. »Kommen Sie, Victoria!«
    Victoria trat ans Bett. Die Frau des Gouverneurs war bleich, ihre Wangen wirkten eingefallen, dunkle Schatten umgaben ihre Augen, ein feuchtes Tuch lag auf ihrer Stirn. Neben dem Bett auf dem Nachttisch stand eine Schüssel.
    »Die Einladung zum Kaffee war selbstverständlich keine Ausrede, sondern aufrichtig gemeint. Was mein ungeschickter Gatte zu sagen versuchte: Wir wollten unter allen Umständen vermeiden, dass die Spatzen in Apia neue Lieder lernen.« Hanna streckte ihre Hand aus. »Liebe Freundin, setzen Sie sich bitte zu mir«, sagte sie. »Ich erwarte ein Kind. Bisher haben wir es noch geheim gehalten. Aber jetzt geht es mir schlecht. Seit gestern Abend musste ich mich mehrfach übergeben. Dabei habe ich diese Phase doch schon lange hinter mir. Doktor Neiden will ich nicht. Ich mag ihn nicht.«
    »Wir haben Vertrauen zu Ihnen, Victoria«, bestätigte Wilhelm und nestelte nervös an seinem Kragen. »Sie sind die beste Ärztin auf Samoa. Und wir wollen nicht, dass jemand von Hannas Schwangerschaft erfährt. Wir haben bereits ein Kind vorzeitig verloren und …« Er brach ab.
    Hanna presste die Lippen aufeinander und versuchte, die Tränen zu unterdrücken. Sie drückte Victorias Hand. »Ich muss sagen, der Gedanke, dass mich eine Frau untersucht, die weiß, wie das ist, beruhigt mich«, sagte sie.
    Victoria trat an die Kommode mit der Waschschüssel und wusch sich die Hände. »Ziehen Sie bitte Ihre Röcke aus, Hanna.«
    »Ich gehe so lange hinaus.«
    »Nein, Wilhelm, bleibe bitte bei mir«, sagte Hanna und griff nach der Hand ihres Mannes. »Natürlich nur, wenn es Ihnen nichts ausmacht, Victoria.«
    »Im Gegenteil«, antwortete sie und schüttelte den Kopf. »Sie werden sich besser entspannen können.« Victoria rieb sich die Hände, damit sie warm wurden. Sie hatte schon oft schwangere Frauen untersucht. Trotzdem waren ihre Finger klamm und kalt vor Aufregung.
    Vorsichtig begann sie, den Bauch der jungen Frau abzutasten. Die Bauchdecke war weich. Unter ihren Fingerspitzen fühlte sie den Rand der Gebärmutter, etwa drei Fingerbreit über dem Schambein.
    »Wie weit sind Sie?«
    »Etwa fünfter Monat, denke ich.«
    »Haben Sie einen Stapel Papier oder etwas Ähnliches?«
    »Natürlich.« Wilhelm sprang auf und huschte durch das Zimmer wie ein aufgeregter kleiner Junge. Die Blätter, die er Victoria reichte, zitterten in seiner Hand.

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