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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
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aufgegeben. Doktor Neiden brauchte sie nicht, es waren genug andere Krankenschwestern da, und sie ertrug die Nähe des arroganten Arztes nicht. Ihre größte Genugtuung war, als Wilhelm und Hanna das Krankenhaus feierlich auf den Namen »Friedrich-von-Kolle-Hospital« tauften. Sie konnte sich vorstellen, dass jeder Blick auf die Messingtafel am Eingang, die den Namen seines Vorgängers trug, ein Stich in das Herz dieses eitlen, selbstgefälligen Mannes war. Und sie wusste, dass sich Friedrich genau darüber gefreut hätte. Nach Apia kam sie eigentlich nur noch, um einzukaufen oder wenn einer ihrer deutschen Patienten nach ihr schickte. Es waren nur wenige. Offenbar war den meisten ein abgeschlossenes Staatsexamen wichtig. Aber sie konnte damit leben. Sie hatte auch so genug zu tun, und zudem mehr Zeit für ihren Mann. Und für ihre Kinder. Acht waren es mittlerweile – drei von ihr und John, drei von Taisi und seiner Frau. Und ihre gemeinsamen beiden Söhne, die Zwillinge Simaika und Semo.
    Acht Kinder. Das waren so viele wie in der Geschichte vom »Haus des Glücks« – ihrer Lieblingsgeschichte.
    Victoria lächelte und genoss es, hier am Strand in der Bucht zu liegen,
ihrer
Bucht. Hierher kamen sie immer, wenn sie ungestört ihre Liebe zueinander genießen wollten. Taisi fand nichts dabei, er war es gewohnt, aber für sie war der Gedanke beklemmend, dass sie in ihrem offenen Fales jeder hören konnte – nicht nur ihre Kinder.
    Sie schloss die Augen und lauschte den Wellen, die sanft das Boot umspülten. Diese kleine Bucht war einsam und schwer zu finden. Sie lag fern von Apia. Fern von den Kindern und Taisis Verwandten. Und weit weg von all jenen, die nicht akzeptieren konnten, dass eine weiße Frau, eine Deutsche, die ehrbare Witwe eines Hamburger Kaufmanns und Mutter von drei deutschen Kindern, sich in einen Samoaner hatte verlieben können. Vielleicht hätten sich die Klatschmäuler eher mit einer Affäre abgefunden als mit einer Ehe und ihrer Tätigkeit als »Dschungelquacksalberin«, wie sie einmal jemanden beim Kaufmann abfällig über sich hatte sprechen hören.
    Taisi stützte sich auf den Ellbogen und sah sie an. Seine dunklen Augen leuchteten. Das von den Wellen reflektierte Sonnenlicht spiegelte sich in ihnen. Victoria strich ihm eine Strähne seines dichten schwarzen Haares aus dem Gesicht. Erinnerte er sie an John? Nein. John war John gewesen, charmant, ein wenig verrückt und unverschämt, trotzdem verantwortungsbewusst. Sie hatte ihn von ganzem Herzen geliebt und liebte ihn immer noch. Er war ihr erster Mann. Sein Platz war unbestritten. Ein Platz, den Taisi auch nicht für sich beanspruchte. Eine der vielen Eigenschaften, die sie an ihm schätzte. Er war ernsthafter, stiller und gelassener als John. Er war selbstverständlich da, noch bevor sie selbst wusste, dass sie ihn brauchte. Er war aufrichtig, höflich, anständig. Mit ihm konnte sie stundenlang schweigend auf das Meer hinausblicken. Sie konnten miteinander auch über verschiedene Meinungen reden, ohne dass sie sich stritten. Sie konnten über Gott sprechen, miteinander beten und lachen, bis sie Bauchschmerzen bekam. Sie hörte gern zu, wenn er sang oder ihr die Geschichten seiner Vorfahren erzählte. Sie liebte seine ruhige, tiefe Stimme. Und ja, sie musste zugeben, dass auch seine glatte braune Haut und sein von den Knien bis zur Hüfte tätowierter Körper sie anzogen. So sehr, dass sie sich manchmal dieser Gefühle schämte. Sie war immerhin eine 38 -jährige Frau. Doch ihre Liebe war nichts Verbotenes. Sie waren verheiratet, Mann und Frau. Vor sechs Jahren hatten sie den Bund der Ehe geschlossen – vor Gott, den Menschen und den Bürgern von Apia. Mochten sie doch über sie reden. Mittlerweile sollte sie sich daran gewöhnt haben, Gesprächsstoff zu liefern. Sie kannte viele Geheimnisse. Geheimnisse von Frauen der »guten Gesellschaft«, die sich aus ihren tristen Ehen in stürmische, aber frustrierende Affären mit Seeleuten flüchteten, um sie dann später mit Tränen in den Augen um ein Mittel zu bitten, welches die Folgen dieser Seitensprünge beseitigte.
    Vielleicht war es der Neid, der die Leute zum Lästern zwang. Denn welche Frau konnte schon von sich behaupten, den eigenen Ehemann von ganzem Herzen zu begehren? Abgesehen von Johanna Solf. Aber Hanna war wie sie selbst eine Frau, die sich keine Gedanken über Konventionen und das Diktat gesellschaftlicher Normen machte. Und auch sie und Wilhelm lieferten Gesprächsstoff,

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