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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
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die Amerikaner, die gegeneinander kämpften. Mit ihnen habe das nichts zu tun. Alexander und Konstantin fühlen sich als Samoaner. So stolz ich auf meine beiden Söhne bin, Taisi und mir ist klar, daß sowohl die deutsche Regierung als auch ihre Kriegsgegner diese Ansicht nicht teilen. Und so bleibt mir nichts als das Gebet und die Hoffnung, daß die zwei dem Aufruf der Wehrmacht nicht nachkommen werden. Und daß der Krieg so rasch beendet ist, daß das Militär gar nicht erst auf die Idee kommt, die jungen Männer zwangsweise zu rekrutieren.
    Einer, der sich bereits in den ersten Tagen freiwillig gemeldet hat, ist Doktor Neiden. Er ist gegangen, und seither haben wir nichts mehr von ihm gehört. Er ist nicht der einzige Deutsche, der Samoa verlassen hat. Zahlreiche Landsleute haben offenbar ihre Liebe zur Heimat wiederentdeckt und sind zurückgekehrt. Andere sind von ihren Firmen oder dem Auswärtigen Amt in Berlin abberufen worden, so auch die Solfs. Als das Ehepaar vor einer Woche das Schiff bestiegen hat, kam es mir vor, als hätte ich mich erneut von meiner Schwester und den Eltern verabschieden müssen. Ich werde Hanna und Wilhelm und ihre kleine entzückende Tochter schmerzlich vermissen.
     
    Tanugamanono, 12 . Februar 1916
     
    Die Deutschen haben sich endgültig aus Samoa zurückgezogen, statt dessen sind jetzt die Neuseeländer hier. Damit ist für uns der Krieg beendet – wenigstens offiziell. Während sich auf den europäischen Schlachtfeldern weiterhin die Leichen der Gefallenen zu Bergen auftürmen, werden auf Samoa andere Schlachten geschlagen – Schlachten der Diskriminierung, Diffamierung und der Schikane gegen die deutschstämmige Bevölkerung. Ich habe es vergleichsweise gut. Ich bin mit einem Samoaner verheiratet und trage immer noch Johns englischen Nachnamen. Es hat gedauert, bis die Behörden mich als Deutsche identifiziert hatten. Und selbst jetzt habe ich nur wenig auszustehen, weil meine Arbeit im Krankenhaus mittlerweile unentbehrlich geworden ist. Neben Doktor Neiden haben auch die Schwestern Samoa verlassen. Der neuseeländische Arzt, der jetzt für das Krankenhaus zuständig ist, ist noch jung und unerfahren. Er ist dankbar, jemanden an seiner Seite zu haben, der alle drei wichtigen Sprachen – Englisch, Deutsch und Samoanisch – gleichermaßen beherrscht und gleichzeitig etwas von Medizin versteht. Obwohl ich offiziell nicht praktizieren darf, arbeite ich weiter. Es gibt viele hier, die einem Neuseeländer nicht vertrauen, und der junge Chefarzt drückt beide Augen zu und verrät mich nicht.
    Wie wird es mit uns weitergehen? Die Zukunft wird es zeigen.
     
    Damit endeten die Einträge. Julia ließ das Tagebuch sinken und sah eine Weile den Menschen zu, die den Park besuchten. Eine Mutter mit zwei Kindern sah sich die Blumen in einem der sorgfältig angelegten Beete an. Ein alter Herr nahm auf einer der anderen Bänke Platz und las Zeitung. Ein junges Paar schlenderte Hand in Hand die Wege entlang. Die Sonne schien von einem zyanblauen Himmel. Es war warm. Der Wind raschelte in den Blättern der Palmen, Hibiskussträucher und Bananenstauden. Auf der Straße hupte ein Auto. In der Ferne heulte die Sirene eines Krankenwagens. Trotzdem wirkte alles heiterer und beschaulicher als in Hamburg. Julia atmete tief ein und schloss die Augen.
Fühlte es sich so an, wenn man zu Hause angekommen war – im
Haus des Glücks
, wie Victoria es in ihrem Tagebuch immer wieder genannt hatte? Und mit wem würde sie dort wohnen? Mit Marco? Mit den Kindern? Oder allein?
    Sie schlug die Augen auf, und ein Blick auf ihre Armbanduhr verriet ihr, dass es höchste Zeit war, ins Hotel zurückzugehen.
     
    Zehn Minuten vor zwölf Uhr saß Julia an dem reservierten Tisch im Restaurant des Hotels. Kunstvoll gefaltete Stoffservietten, ein mit mehreren Gläsern und Silberbesteck eingedeckter Tisch ließen auf die Höhe der Preise schließen. Sie betrachtete die dunkelroten Hibiskusblüten in der kleinen weißen Vase, als einer der Kellner sie ansprach.
    »Mrs. Sievers?« Er lächelte und entblößte dabei seine schneeweißen Zähne.
    »Ja.«
    »Doktor Laupepa bat mich, Ihnen auszurichten, dass er wegen eines Notfalls noch im Krankenhaus aufgehalten wird. Er bittet Sie, zu warten. Er kommt, so schnell er kann.«
    »Oh, dann weiß ich Bescheid. Vielen Dank.«
    »Möchten Sie schon bestellen?«
    »Nein danke. Ich werde warten. Wenn Sie mir nur ein Wasser bringen würden?«
    Der Kellner ging davon.
    Julia strich

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