Haus des Todes
und wirkt unauffällig, die geblümten Bezüge könnte man bei jedem verwitweten Großvater antreffen. In einem Regal steht eine umfangreiche Auswahl an Büchern. Außerdem finden sich hier Topfpflanzen und ein Landschaftsgemälde, aber nichts, was darauf hindeutet, wodurch der Besitzer jemanden so sehr verärgert haben könnte, dass dieser immer wieder auf ihn einstach. Auf einer Kommode stehen Fotos vom Opfer und seinen Kindern, von seinen Enkelkindern, Fotos, die dieser Mann jeden Abend vor dem Schlafengehen betrachtet hat. Von seiner Frau gibt es keins.
Ich ziehe die Handschuhe vom letzten Tatort über – ich habe sie auf links gedreht – und durchsuche die Schubladen und Schränke, und für ein paar Minuten hilft mir Schroder dabei; seine Bierfahne ist inzwischen nicht mehr ganz so stark.
»Hast du irgendeine Vermutung?«, fragt er.
»Opfer Nummer eins war Anwalt«, antworte ich. »Vielleicht hat er bei dieser Tätigkeit jemanden verärgert.«
»Er hat seit zehn Jahren nicht mehr als Anwalt praktiziert«, sagt er. »Warum sollte jemand so lange damit warten?«
»Vielleicht saß die Person, die er so verärgert hat, im Knast«, sage ich, »und wurde vor Kurzem entlassen.«
»Schon möglich, aber unser Opfer war kein Strafverteidiger, sondern Scheidungsanwalt.«
»Es gibt Leute, die darin erst recht einen Grund sehen, ihm den Tod zu wünschen«, erkläre ich.
»Opfer Nummer zwei ist achtundsiebzig Jahre alt«, sagt er, »und hat vierzig Jahre lang als Lehrer an der Highschool unterrichtet. Vor dreizehn Jahren ist er in den Ruhestand getreten.«
»Hat er Familie?«
»Geschieden. Zwei Kinder.«
»Das erklärt die Fotos«, sage ich. »Überprüft ihr, wer sein Scheidungsanwalt war?«
»Passiert bereits.«
Ich blättere ein Adressbuch durch, finde aber keine Eintragung zu Herbert Poole. »Vielleicht waren sie mal vor langer Zeit befreundet. Vielleicht hat Albert Herbs Kinder unterrichtet. Oder Herb war mit Alberts Scheidungsverfahren betraut. Kennst du den Grund für die Scheidung? Hatte seine Frau eine Affäre? Gibt es irgendeinen Hinweis auf die Vergangenheit?«
»Mensch, Tate, wir sind erst seit fünfzehn Minuten hier. Jetzt mach mal halblang.«
Ich schnaube laut aus. »Okay, hab’s verstanden. Ich werfe nur ein paar Gedanken in die Runde«, sage ich.
»Außerdem bin ich außer Übung. Irgendwelche Fingerabdrücke?« , frage ich.
»Jede Menge, aber wir müssen sie erst bestimmen. Kann sein, dass keiner davon vom Täter stammt.«
»Hat irgendjemand was gesehen?«
»Wir haben noch nicht mit der Befragung angefangen.«
»Was denkst du über die Botschaften?«, frage ich.
Er zuckt mit den Schultern. »Die eine ist eine Frage«, sagt er, »die andere eine Aussage. ›War es das wert?‹ Das kann alles heißen. Ob sein Fernseher die tausend Dollar wert war, die er dafür bezahlt hat, oder die Nutte letzte Nacht die hundert Dollar? Das kann alles Mögliche bedeuten.«
»Die Aussage ebenfalls«, sage ich. »›Es war dir egal.‹ Wahrscheinlich ist damit gemeint, dass dem Opfer irgend jemand egal war und weniger irgend etwas . Hat schon jemand mit Herbert Pooles Kindern gesprochen?«
»Steht auf der Liste«, sagt er.
»Ist eine lange Liste.«
»Und sie wird immer länger.«
»Was soll ich also tun? Ich bin dir keine große Hilfe, wenn ich den Toten anstarre, außerdem kommt ihr hier auch ohne mich zurecht. Gib mir eine Aufgabe.«
»Hör zu, Theo«, sagt er, und dann spricht er aus, was er schon den ganzen Abend sagen wollte. Es war nur eine Frage der Zeit. »Ich bin dir dankbar für deine Hilfe, aber am besten gehst du jetzt nach Hause.«
»Das war’s also, ja? Danke fürs Mitnehmen, Theo?«
Er hält eine Hand in die Höhe. »Lass mich doch mal ausreden«, sagt er. »Mein Chef ist unterwegs hierher«, erklärt er. Es ist ein paar Jahre her, dass ich Superintendent Dominic Stevens begegnet bin, und ich weiß, worauf Schroder hinauswill. »In fünfzehn Minuten wird er hier sein, und wenn er dich am Tatort sieht … na ja, dann kannst du dich davon verabschieden, in deinen alten Job zurückzukehren, und für mich gilt wahrscheinlich dasselbe, was die Beförderung betrifft. Du bist eine Zivilperson, Theo, und es wird ihm nicht gefallen, dass du hier bist. Ich möchte erst mit ihm unter vier Augen sprechen und ihm die Situation erklären. Vor allem will ich vermeiden, dass er hier aufkreuzt und dich bei der Arbeit sieht.«
»Ja, okay, klar doch«, sage ich.
»Ich weiß, du bist sauer.
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