Haus des Todes
ab. Dann öffnet er den Mund und beißt in den oberen Teil des Lenkrads. Er würde jetzt gerne laut aufschreien.
Er nimmt das Messer. Sicher, hier sind einige Leute unterwegs, aber nicht viele – die Nutte einen halben Block weiter oben, hin und wieder ein Autofahrer und einige Fußgänger –, aber er würde es bestimmt schaffen, zu dem Wagen rüberzugehen und ein Blutbad anzurichten, bevor man die Polizei verständigen kann.
Er legt das Messer wieder zurück. Das wäre dumm. Er kann es sich nicht leisten, verhaftet zu werden, denn er ist nicht mal zur Hälfte fertig. Auf dem Lenkrad bleiben
Zahnabdrücke zurück. Er starrt durch die Windschutzscheibe auf eine große Plakatwand gegenüber. Sie wirbt für ein Reisebüro, und auf dem Poster sind mehrere Inseln, Wasser und lachende Menschen zu sehen. Genau so ein Leben wünscht er sich. Er mustert eingehend das Plakat, betrachtet all die Dinge, die für ihn unerreichbar sind. Und das macht ihn nur noch wütender.
In diesem Moment setzt der Wagen aus der Gasse zurück und kommt dann zum Stehen. Die Beifahrertür öffnet sich, die Innenbeleuchtung geht an, und Ariel steigt aus. Ohne sich umzudrehen, schließt sie die Tür und läuft zur Kreuzung zurück. Die Scheinwerfer des Wagens leuchten auf, und er fährt in entgegengesetzter Richtung weiter. Ariel greift in ihre Handtasche, nimmt erneut eine Zigarette heraus und fummelt im Gehen mit dem Feuerzeug herum. Er kann immer noch den Wagen sehen, aus dem sie ausgestiegen ist, er hält kurz neben zwei Straßenlaternen und fährt dann wieder weiter.
Caleb folgt ihm.
Er kann nicht anders. Er wirft einen Blick auf die Uhr. Es ist zwanzig vor elf. Das wird seinen Zeitplan durcheinanderbringen, aber er hat ja immer noch die ganze Nacht. Trotzdem sollte er sich an seinen Plan halten und Ariel später am Abend aufsuchen, sie nach der Arbeit abpassen.
Das sollte er tun.
Doch das tut er nicht.
Sie kommen in eine andere Gegend. Fahren aus der Stadt heraus in die Vororte. Manche hübscher als andere.
Er presst die ganze Zeit die Zähne zusammen. Nach zehn Minuten erreichen sie eine Gegend voller Mittelklassehäuser, die Straßen sind menschenleer, und die Laternen durchschneiden mit ihren Lichtkegeln die Dunkelheit. Der Wagen wird langsamer. Und biegt in eine Auffahrt. Langsam öffnet sich das elektrische Tor. Man kann sich in so einem Viertel in einem ramponierten Wagen und mit einem Messer in der Hand nicht allzu lange aufhalten, ohne dass jemand die Polizei alarmiert.
Er muss sich beeilen.
Caleb hält an und zieht das Messer unter dem Sitz hervor.
Kapitel 8
Pass auf, dass du niemanden umbringst.
Schroders Worte geistern mir durch den Kopf, während ich das Seniorenheim hinter mir lasse. Das klingt, als gehöre das bei mir zum Berufsrisiko.
Der Himmel hängt voller dunkler Wolken, und die Nacht wird von der Stadt und ihrem pulsierenden Leben erleuchtet. Ich fahre zu dem Pflegeheim, in dem meine Frau wohnt. Und als ich durch die Eingangstüren ins Foyer trete, werde ich in warme Farben und warme Luft gehüllt. Es ist elf Uhr, und die Schwester hinter dem Empfangsschalter erkundigt sich lächelnd nach meinem Wohlbefinden. Ich sage ihr, dass es mir gut geht. Die Besuchszeit ist seit drei Stunden vorbei, doch die Schwestern
kennen mich, und solange ich ihnen nicht in die Quere komme, gewähren sie mir zu fast jeder Tageszeit Einlass.
Ich gehe zum Zimmer meiner Frau und halte auf dem Weg Ausschau nach der Schwester; jedes Mal habe ich die Hoffnung, dass sie eines Tages an der Tür mit guten Neuigkeiten auf mich wartet. Aber nach Lage der Dinge gibt es immer dieselben Neuigkeiten wie am Vortag – also keine. Der Zustand meiner Frau ändert sich nicht und wird es vermutlich nie tun. Sofern sie nicht gerade schläft, starrt sie vor sich hin; in ihrem Gehirn arbeiten genug Synapsen, damit sie kaut, wenn sie gefüttert wird, aber nicht genug, damit sie ihre Augen auf einen bestimmten Punkt richtet, und auch nicht genug, um mich anzulächeln und meine Hand zu halten. Ihr vegetativer Zustand ist dauerhaft, außer es geschieht ein Wunder oder es gibt neue technische Entwicklungen. Ich bete für beides.
Da ich Schwester Hamilton nirgends entdecken kann, gehe ich direkt zu Bridgets Zimmer. Sie schläft. Die Lampe auf dem Nachtschränkchen spendet gedämpftes Licht, und die Vorhänge sind zugezogen.
Vor einem Jahr hätte ich Bridget Blumen mitgebracht, denn damals konnte ich sie mir noch leisten. Angesichts der
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