Haus des Todes
sie nickt und verzückt lauscht. »Ja, verstehe. Ich werd’s ihm sagen.«
Sie öffnet die Augen. »Sie ist fort«, sagt sie.
»Fort?«
»Fort. Aber sie hat mir eine Botschaft übermittelt. Sie sollen wissen, dass sie keine Schmerzen mehr hat, dass sie und Ihre Tochter zusammen sind, dass die beiden Sie lieben, und sie möchte, dass Sie glücklich werden.«
Er zieht seine Hände weg. Die Frau zuckt zusammen und reißt die Augen auf, als ihr klar wird, dass sie etwas Falsches gesagt hat. »Manchmal sind die Botschaften etwas vage«, erklärt sie. »Manchmal braucht man mehrere Anläufe.«
Caleb gibt ihr die achtzig Dollar, die sie am Telefon als Preis vereinbart haben, und das Geld verschwindet in ihrer Klaue. Dann bringt sie ihn zur Haustür. Beim Hereinkommen sind sie ihm gar nicht aufgefallen, aber jetzt sieht er sie: Neben der Tür stehen zwei gepackte Koffer, und darauf liegen zwei Pässe und zwei Tickets. Heute Nacht oder morgen wird sie mit ihrem Partner oder Ehemann das Land verlassen. Bei ihrem Anblick fällt ihm der
Urlaub mit seiner Frau vor fünfundzwanzig Jahren ein, Sonne ohne Ende, leckeres Essen und guter Wein, und neun Monate später kam ihre Tochter zur Welt.
»Meine Frau«, erklärt er ihr, »würde nie wollen, dass ich glücklich werde. Sie gibt mir die Schuld an dem, was passiert ist – und das wird sich auch nicht ändern.«
Sie nickt langsam, und er vermutet, dass es als Hellseher vor allem darauf ankommt, aus seinen Fehlern zu lernen. Er rechnet damit, dass sie sich verteidigt, ihm erklärt, er habe sich geirrt, seine Frau wolle ihm vergeben, wolle, dass er glücklich werde, doch sie sagt gar nichts und schließt langsam hinter ihm die Tür.
Er hätte es wissen müssen.
Der Wagen springt gleich beim ersten Versuch an. Ohne sich noch einmal umzudrehen, fährt er vom Haus fort. Jetzt wird es ernst. Jetzt geht es zum nächsten Opfer. Bei ihr wird es die wenigsten Probleme geben – schließlich ist sie die Einzige auf der Liste, die im Koma liegt.
Kapitel 12
Mein Telefon klingelt, und erst da merke ich, dass ich in meinem Beerdigungsanzug auf dem Sofa eingeschlafen bin. Ich werfe einen Blick auf meine Uhr. Es ist zwei. Ich habe lediglich zehn Minuten geschlafen. Die Nachrichten sind zu Ende, und über den Fernsehschirm flimmert eine Dauerwerbesendung über ein neues unverzichtbares Fitnessgerät, das man zusammenklappen und unters Bett
schieben kann, damit man sich nicht schämen muss, wenn die Nachbarn zu Besuch kommen. Die Frau, die es präsentiert, hat mehr Bauchmuskeln, als ich Nährstoffe in meinem Körper habe. Ich schaue nach, wer anruft. Es ist Schroder. Wahrscheinlich meldet er sich, um mir mitzuteilen, ob ich an dem Fall arbeiten darf oder nicht.
»Ich habe mit den Häuptlingen gesprochen«, sagt er.
»Und?«
»Und sie daran erinnert, dass du, wenn’s um Serienmörder geht, weißt, wo man suchen muss, auch wenn deine Vorgehensweise falsch ist.«
»Und?«
»Und sie haben mich daran erinnert, dass deine Erfolgsquote auch die Mordrate in die Höhe treibt.«
»Der erste war ein Unfall«, sage ich, »und der zweite hat sich selbst umgebracht.« Das ist nur die halbe Wahrheit. In beiden Fällen. Und Schroder weiß das, aber er kann es nicht beweisen und will das auch nicht, selbst wenn er dazu in der Lage wäre.
»Du bist mit dabei«, sagt er. »Aber nicht als Cop, sondern als offizieller Berater.«
»Mehr habe ich mir momentan sowieso nicht erhofft.«
»Schön. Wenn die Sache gut läuft – Mensch, vielleicht ist das deine Chance, wieder bei uns anzufangen.«
»Es kotzt mich nur an, dass sich diese Chance ergeben hat, weil zwei Menschen gestorben sind.«
»Drei«, sagt er.
»Was?«
»Darum rufe ich jetzt schon an und nicht erst morgen
früh, und darum brauchen wir jetzt jede Unterstützung, die wir kriegen können. Es gibt ein drittes Opfer.«
»Du verarschst mich.«
»Im Christchurch Hospital. Er macht weiter. Alles ist möglich. Komm so schnell du kannst.«
Auf der Straße ist kaum was los, es sind fast ausschließlich Taxis mit betrunkenen Fahrgästen unterwegs. In der Nähe des Krankenhauses wird der Verkehr dichter, vor dem Haupteingang hat sich ein Unfall ereignet. Einer von diesen Autofreaks ist über den Bordstein gerast, hat einen Laternenpfahl umgefahren und dadurch einen anderen Fahrer in seinem Wagen eingeklemmt. Der Klinikparkplatz ist fast leer, und ich werfe keine Münzen in die Parkuhr. Ich eile in die Notaufnahme, die voller Betrunkener
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