Haus des Todes
ist, die gestürzt sind und sich dabei verletzt haben. Ich rufe Schroder an, und er kommt durch die Sicherheitstüren zu mir heraus.
»Hübsche Schuhe«, sagt er mit Blick auf meine Joggingschuhe.
»Danke, gleichfalls«, sage ich. Er trägt ebenfalls welche. Wahrscheinlich waren es die einzigen, die noch trocken waren, genau wie bei mir. Außerdem hat er ein frisches Hemd angezogen. »Wir können die Schuhe auch tauschen. Werde ich als Berater eigentlich bezahlt?«
Schroder zuckt mit den Achseln. »Sicher, aber frag mich bloß nicht, wie viel du bekommst. Vielleicht kriegst du ja sogar mehr als ich.«
Wir gehen durch die Tür. Es gibt hier eine Reihe Quergänge, und wahrscheinlich sind schon Leute auf der Suche
nach dem richtigen Weg gestorben. Ärzte und Schwestern eilen an uns vorbei; hinter Vorhängen, in kleinen Kabinen, liegen Patienten, Stimmen, Schluchzen und Gelächter dringen daraus hervor.
Wir gehen durch den Flur in einen kleinen Empfangsbereich mit Stühlen, auf denen zwei Frauen sitzen, eine von ihnen weint, die andere tröstet sie. Erstere ist die Ehefrau, Letztere eine Nachbarin oder Freundin. Zehn Meter von ihnen entfernt bleiben wir stehen, um uns ungestört zu unterhalten.
»Es ist wirklich schlimm«, sagt Schroder. »Er hat zahlreiche innere Verletzungen, und er hat viel Blut verloren. Vor zehn Minuten meinte der Arzt, es wäre an der Zeit, einen Priester kommen zu lassen.«
»Was ist passiert?«
»Laut der Aussage seiner Frau ist er nach Hause zurückgekehrt, hat seinen Wagen abgestellt, ist dann aber nicht ins Bett gekommen. Zehn Minuten später ist sie aufgestanden, um nachzuschauen. Sie fand ihn in der Garage neben seinem Wagen, wie er versuchte, mit den Händen die Eingeweide in seinem Bauch zu behalten. Er hatte so starke Schmerzen, dass er sich nicht bewegen konnte, er konnte nicht mal schreien. Als der Krankenwagen eintraf, hatte er das Bewusstsein verloren.«
»Hat sie irgendwas gesehen?«
»Nur ihren Mann.« Schroder senkt seine Stimme, obwohl uns niemand hören kann. Er hat immer noch eine Fahne. »Im Gegensatz zu den anderen Opfern hat dieses
nur eine Stichwunde, und ihm wurde auch nichts auf die Stirn geschrieben. Trotzdem, das ist unser Mann.«
»Ach ja? Woher wisst ihr das?«
»Der Mörder ist durch den Vorgarten gelaufen und hat den Matsch unter seinen Fußsohlen in die Auffahrt getragen. Die Abdrücke stimmen mit den Blutspuren in den Altenheimen überein. Zu hundert Prozent, bis hin zu den Ritzen im Profil. Es ist unser Mann.«
»Aber warum sieht dieser Tatort so anders aus?«
»Wir vermuten, dass er es mit der Panik gekriegt hat und geflohen ist.«
»Was habt ihr noch?«
»Zu Opfer Nummer drei nicht viel. Bei den ersten beiden hat der Täter am Tatort einen Kaffee getrunken. Allerdings hat er die Tassen wieder abgewischt sowie alle Oberflächen, die er berührt haben könnte, Badezimmer eingeschlossen. Wir haben also keine Fingerabdrücke. DNS, davon haben wir jede Menge. Doch das nützt uns nichts, solange wir die Laborergebnisse nicht haben.«
»Mein Gott«, sage ich, »drei Menschen innerhalb von, was, sechs, sieben Stunden?« Ich deute mit dem Kopf auf eine weitere große Doppeltür, die in einen Gang mit mehreren OP-Sälen führt. In einem davon liegt unser Opfer gerade auf einem Tisch, während die Hände eines anderen Menschen in seinem Innern herumwühlen. »Was, wenn er nicht das letzte Opfer bleibt?«
»Opfer Nummer drei heißt Brad Hayward«, sagt er. »Einundvierzig Jahre alt, Buchhalter, verheiratet, zwei Kinder. Sie waren alle zu Hause, als es passierte.«
»Haben die Kinder irgendwas gesehen?«
»Sie waren im Bett.«
»Vielleicht hat der Mörder seinen Job nicht zu Ende gebracht, weil noch weitere Menschen im Haus waren.«
»Das vermuten wir auch«, sagt Schroder. »Bislang gibt es keine Verbindung zu den anderen Opfern.«
»Ein Lehrer, ein Buchhalter und ein Anwalt …«
»Betreten eine Bar«, sagt Schroder und schüttelt den Kopf. »Klingt wie der Anfang von ’nem Witz.«
Die Frau hat die ganze Zeit auf die Türen gestarrt, doch jetzt schaut sie zu uns her und flüstert ihrer Freundin etwas zu, dann steht sie auf und kommt zu uns herüber. Sie hält den unteren Saum ihrer Jacke umklammert und zieht daran, streicht ihn glatt und wischt die Tränen vom Stoff. Schroder stellt mich vor, ohne einen Dienstgrad zu erwähnen. Sie nickt mir zu, reicht mir allerdings nicht die Hand. Ich komme mir unerwünscht vor.
»Haben Sie schon etwas
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