Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus des Todes

Haus des Todes

Titel: Haus des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Cleave
Vom Netzwerk:
stapft.

Kapitel 10
    Ich bin nicht allein, als ich vom Grab meiner Tochter zum Auto zurückkomme. In dem Wagen neben meinem hockt ein Mann und versucht nach Kräften, ihn zu starten. Der Motor springt nicht an, aber er probiert es immer
wieder. Er schaut zu mir hoch, doch von der Straße dringt nur schwaches Licht herüber und von der Kirche gar keins, weshalb man ihn nur schlecht erkennen kann, und das, was ich erkenne, macht keinen besonders guten Eindruck. Er hat Narben im Gesicht, und seine Nase wirkt, als wäre sie mehrfach gebrochen worden. Er merkt, wie ich ihn beobachte, und mir bleibt nichts anderes übrig, als ihm meine Hilfe anzubieten. Obwohl ich lieber in meinen Wagen steigen und mich schleunigst verdrücken würde. Dann wird mir klar, dass der Mann einen Verlust erlitten hat, wenn er zu dieser nächtlichen Stunde hier draußen ist, vielleicht einen ähnlichen Verlust wie ich.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, frage ich.
    »Ich kenne mich mit Autos nicht besonders aus«, erklärt er und steigt aus. Er muss um die fünfzig sein, hat flach anliegendes, dichtes graues Haar.
    »Ich auch nicht«, gebe ich zu, »aber ich habe zwei Starthilfekabel, vielleicht klappt es damit.«
    Ich mache den Kofferraum meines Wagens auf und hole die Kabel heraus. Wir öffnen beide Motorhauben und klemmen die jeweiligen Enden fest. Ich schätze, bei einem Wettbewerb um die schrottigste Karre würden wir gemeinsam den ersten Preis gewinnen. Ich lasse meinen Wagen an, doch mein Motor kommt nur mühsam auf Touren, und für einen Moment denke ich, dass wir beide hier festsitzen, aber dann springt er an, und ich trete ein paarmal aufs Gas.
    Ich laufe um mein Auto herum, während der Mann in
seines klettert. Er braucht ein paar Versuche, doch dann springt auch sein Motor an. Er lässt ihn einige Male aufheulen, dann steigt er aus, und im Licht der Scheinwerfer kann ich ihn besser erkennen. Er sieht aus, als hätte man ihn zusammengeschlagen, allerdings nicht vor Kurzem, sondern vor langer Zeit, und zwar mehrfach. Wir entfernen das Kabel, und ich wickle es zusammen und werfe es in den Kofferraum.
    »Vielen Dank«, sagt er.
    »Keine Ursache«, erwidere ich und halte ihm instinktiv meine Hand hin.
    Er starrt sie für ein paar Sekunden an, unschlüssig, was er tun soll. Und ich komme mir wie ein Idiot vor, doch dann streckt auch er seine Hand aus und reicht sie mir. Als ich sie drücke, zuckt er ein wenig zusammen.
    Rasch lasse ich sie wieder los. »Tut mir leid«, sage ich.
    »Nicht Ihre Schuld«, sagt er und reibt sich die Finger. »Eine alte Verletzung.«
    »Wundern Sie sich nicht, wenn Sie mir in ein, zwei Tagen denselben Gefallen tun müssen«, sage ich mit Blick auf meinen Wagen.
    »Ich bin mir nicht mal sicher, ob der Wagen überhaupt so lange durchhält«, antwortet er.
    Der Moment ist vorbei, und ich freue mich, einen Fremden getroffen zu haben, der kein Idiot war und so spät in der Nacht nicht versucht hat, mir die Brieftasche zu klauen. Wir wissen beide diese flüchtige Begegnung zu schätzen und steigen in unsere Wagen. Er winkt mir beim Wegfahren kurz zu, und dann bin ich wieder unterwegs,
mit dem guten Gefühl, jemandem geholfen zu haben.
    Als ich nach Hause komme, ist es ein Uhr. Ich schleudere meine Schuhe von den Füßen und stelle sie neben die Heizung, in der Hoffnung, dass sie bis morgen trocken sind. Dann fahre ich den Computer hoch und wärme mir die mehrere Tage alte Hälfte einer Tiefkühlpizza auf, denn der Burger hat nur einige Minuten vorgehalten. Dazu mache ich mir einen Kaffee. Seit meiner Entlassung aus dem Knast habe ich nichts Gesundes mehr zu mir genommen, und ich wüsste nicht, warum ich mit dieser Tradition brechen sollte. Hinter Gittern habe ich neun Kilo abgenommen, die ich offensichtlich nicht wieder draufkriege  – ohne mein Hemd sehe ich aus wie eine Leiche.
    Ich setze mich in mein Arbeitszimmer, an dessen Wände Artikel über Melissa X geheftet sind, und Fotos aus der Zeit, als sie noch Natalie Flowers war. In chronologischer Reihenfolge sind im Zimmer Tatortberichte angeordnet. Von verschiedenen Bildern starren mich ihre eisigen blauen Augen an; sie sind das Einzige, was beide Personen gemeinsam haben, der Rest hat sich durch Make-up, gefärbte Haare und drei Jahre des Mordens verändert.
    Ich wende Melissa den Rücken zu und suche im Internet nach den Opfern von heute. Die beiden Fälle haben es bereits in die Nachrichten geschafft, allerdings ohne Nennung von Namen, obwohl Opfer Nummer eins,

Weitere Kostenlose Bücher