Haus des Todes
rausgefunden?«, fragt sie an uns beide gerichtet.
»Wir verschaffen uns gerade einen Überblick über den Tathergang«, sagt Schroder.
»War es der Sichelmann?«
»Es heißt Sensenmann«, korrigiert Schroder sie.
»Was?«
»Es heißt Sensenmann.«
»Sense?«
»Wie in ›sensen‹.«
»Putzig«, sagt sie, allerdings klingt es nicht so, als würde sie es auch meinen.
»Wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob er es war, aber es ist durchaus möglich«, sagt Schroder.
»Für welche Firma arbeitet Ihr Mann?«, frage ich.
»Goodwin, Devereux and Barclay«, sagt sie.
»Arbeitet die Firma auch mit Anwaltskanzleien zusammen?« , frage ich.
Sie zuckt mit den Schultern. »Das müssen Sie schon die fragen, aber ich nehm’s an.«
»Können Sie was mit den Namen Herbert Poole oder Albert McFarlane anfangen?«, frage ich.
»Das hat mich Ihr Partner auch schon gefragt«, sagt sie, »und die Antwort lautet Nein. Sind das die beiden Männer, die heute getötet wurden?«
»Was können Sie mir sonst noch über Ihren Mann sagen?« , frage ich. »War er beliebt? Hatte er Probleme? Gab es merkwürdige Anrufe, spätabends noch Verabredungen, irgendwas in der Richtung?«
»Brad ist ein wunderbarer Mann«, sagt sie und wirft mir einen bösen Blick zu. »Nichts von alledem. Er war bei allen beliebt. Bei allen. Ich hoffe, Sie haben noch ein paar bessere Fragen auf Lager.«
»Wann hat er normalerweise Feierabend gemacht?«, frage ich.
»Unterschiedlich. In der Regel nimmt er sich vor, um sechs aufzuhören, doch meistens macht er nicht vor sieben oder acht Uhr Feierabend. Manchmal, wie heute Abend, kann es auch sehr viel später werden. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn er erst nach Mitternacht nach Hause kommt.«
»Ruft er dann vorher an?«
»Er hat gegen fünf angerufen und gesagt, dass er vor elf nicht zu Hause ist. Er hat momentan viel zu tun. Einer seiner Kollegen wurde wegen Mordes verhaftet und sitzt im Gefängnis«, sagt sie, »darum muss Brad zusätzliche Arbeit übernehmen.«
»Er macht also erst seit Kurzem so spät Feierabend«, sage ich.
»Das kam auch früher schon mal vor, vielleicht ein-oder zweimal im Monat, aber inzwischen ist es fast jeden Abend so, außerdem arbeitet er sehr viel länger als früher. Aber später als Mitternacht wird es nie. Ich beklage mich nicht, denn er hat einen ziemlich stressigen Job. Also, wir haben schon darüber gesprochen, denn ich hatte es satt, mich immer allein um das Haus und die Kinder zu kümmern, und wollte wegen seines Jobs in einem Buchführungsbüro nicht zur Strohwitwe werden, und … und …«
Sie redet nicht weiter. Denn ihr ist gerade bewusst geworden, dass sie das Wort »Witwe« benutzt hat, und bei dem Gedanken daran verändert sich ihr Gesichtsausdruck. Man kann sehen, dass sie sich gerade eine Zukunft ohne ihren Mann ausmalt, ohne Telefonanrufe, ohne Streitigkeiten, ohne die Ungewissheit, wann er nach Hause kommt. Nichts von alldem – nur noch diese Leere in ihrem Leben, die sie eines Tages vielleicht mit einem anderen Menschen ausfüllen wird, oder auch nicht.
»Er wird durchkommen«, sagt sie. »Er … er hat eine Menge Blut verloren, und die Ärzte … sie wissen nicht,
ob …« Sie verstummt erneut. Ihre Freundin steht auf, kommt zu ihr herüber und legt einen Arm um sie. Sie wirft uns einen vorwurfsvollen Blick zu, als wäre das alles unsere Schuld, als würden wir sie mit der ganzen Fragerei belästigen. Dabei wollen wir doch alle nur dasselbe.
»Seit wann arbeitet er in der Firma?«, frage ich.
»Seit fünf, fast sechs Jahren.«
»Und davor?«
»Davor war er beim Finanzamt.«
Ich schaue kurz zu Schroder, und er erwidert meinen Blick. Die Sache mit dem Finanzamt ist ein Problem. Denn es bedeutet, dass wir an beliebiger Stelle das Telefonbuch aufschlagen können, und wir haben jemanden mit einem Motiv. Und es bedeutet, dass ich Brad Hayward hasse und Schroder es ebenfalls tut. Tag für Tag setzen wir unser Leben aufs Spiel, nur um ein Drittel unseres Gehalts an die Regierung abzuführen, ohne dass die Regierung allerdings ein Drittel des Risikos übernehmen würde. Und falls Schroder angeschossen wird, schickt das Finanzamt weder Blumen noch Genesungswünsche, und es bedankt sich auch nicht für die ganzen Steuern, die er gezahlt hat.
»Gab es damals irgendwelche Probleme? Wurde er bedroht?« , frage ich.
»Nein, bestimmt nicht«, sagt sie, und in diesem Moment klingelt Schroders Handy. Er entschuldigt sich und tritt einen Schritt
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