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Haus des Todes

Haus des Todes

Titel: Haus des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Cleave
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gewesen, wäre sie uns damals bereits entwischt.«
    »Ich werde ihren Arzt verständigen«, sage ich. »Ich weiß, Sie halten das für Zeitverschwendung, aber ich finde, es kann nicht schaden, wenn man ein paar Tests mit ihr macht, wissen Sie?«
    Ein paar Sekunden lang sagt sie keinen Ton, und ich habe das Gefühl, dass sie entweder nickt oder den Kopf schüttelt. »Es kann schaden«, sagt sie. »Nicht Bridget, aber Ihnen.«

    »Wenn die Möglichkeit besteht …«
    »Ich weiß, glauben Sie mir, ich weiß. In meinem Job bekommt man viel zu sehen. Ich habe tagtäglich mit Patienten wie Bridget zu tun, mit ihren Partnern und ihren Angehörigen. Ich spüre ihren Schmerz und ihre Hoffnung, die ganze Tragik dahinter, das ist meine Welt. Theo, Sie sind mit mir in dieser Welt, und ich sage Ihnen das jetzt als Freundin, der Ihr Wohl am Herzen liegt, und als Schwester, die das alles kennt, ich sage Ihnen, dass Sie loslassen müssen. Sie müssen den Blick nach vorn richten.«
    »Ich kann nicht.«
    »Ich weiß«, sagt sie, »und das macht Sie zu dem, der Sie sind.«
    »Ich werde ihren Arzt anrufen«, erkläre ich. »Ich möchte, dass er sie sich mal anschaut.«
    »Ist in Ordnung, Theo. Ich hoffe, dass er etwas findet, das hilfreich ist, wirklich.«
    Ich lege auf und lasse meinen Finger an der Kaffeetasse rauf- und runtergleiten, während ich mich frage, ob meine Entscheidung die drei Jahre alten Wunden wieder aufreißen wird. Ich habe mit der Sache zwar noch nicht abgeschlossen, aber die Wunden haben angefangen zu heilen.
    Ich leihe mir von der Kellnerin das Telefonbuch und setze mich wieder in die Nische. Ich suche die Nummer des Krankenhauses heraus und bitte darum, zu Dr. Forster durchgestellt zu werden. Es ist lange her, dass wir miteinander gesprochen haben. Anfangs habe ich mich täglich
bei ihm gemeldet und immer neue Fragen gestellt. Ich verbrachte meine Zeit damit, mich an dem Mann zu rächen, der uns das angetan hatte, und im Internet nach Antworten zu suchen. Schließlich rief ich Dr. Forster immer seltener an und irgendwann dann gar nicht mehr.
    Inzwischen ist mein Kaffee so weit abgekühlt, dass ich ihn mit großen Schlucken zur Hälfte austrinken kann. Ich werde zu einem Anrufbeantworter durchgestellt und spreche meine persönlichen Angaben drauf, ich bitte Dr. Forster um einen Rückruf in der Hoffnung, dass er sich auch tatsächlich meldet  – ich habe über zwei Jahre nicht mehr mit ihm gesprochen. Dann leere ich meinen Kaffee und trete hinaus auf die Straße.
    Als ich ins Revier zurückkehre, bin ich vom Koffein leicht aufgedreht, während im vierten Stock alle wirken, als wären sie auf Meth. Man grüßt mich, und die Sprüche von Landrys Leichenschmaus, dass ich Teil des Problems und nicht Teil der Lösung sei, scheinen vergessen. Einer der Detectives spielt Luftgitarre, ein anderer trommelt auf einem imaginären Schlagzeug, während sich wieder andere für Freitagabend auf eine Runde Xbox verabreden.
    Im Konferenzzimmer treffe ich auf Schroder, er starrt die Tafel an. Auf dem Tisch neben ihm türmen sich stapelweise Ordner, insgesamt mindestens einige Hundert.
    »Das sind die Akten von allen Häftlingen, die dieses Jahr entlassen wurden«, sagt er und legt seine Hand auf die Ordner. »Das hier«, fährt er fort und tippt auf den Stapel, der mindestens doppelt so hoch wie der zweithöchste
ist, »sind die Straftäter, die wegen Gewaltdelikten angeklagt wurden.«
    »Hast du schon angefangen, sie durchzusehen?«
    »Ja. Etwa ein Prozent davon«, erklärt er.
    Bei der Polizeiarbeit geht es so gut wie nie darum, mit Blaulicht durch die Straßen zu rasen, ein Menschenleben zu retten oder die Waffe auf einen Verdächtigen zu richten. Sondern um ganz profane Dinge. Darum, Akten zu wälzen. Zeugenaussagen aufzunehmen und zu lesen. Es geht darum, Verbindungen und Zusammenhänge herzustellen.
    »Das ist eine Menge Papier«, sage ich.
    »Du willst doch wieder als Cop arbeiten, oder? Das gehört auch zum Job. Das hier ist das Leben, das du so unbedingt zurückhaben wolltest.«
    Zwei weitere Detectives betreten das Zimmer, jeder mit einem Kaffee in der Hand, sodass ich ebenfalls Lust darauf bekomme, obwohl ich bereits einen intus habe. Wir setzen uns und fangen an, die Akten durchzusehen. Und bilden Stapel. Es wird kaum geredet. Wir hängen uns voll rein, machen unsere Arbeit. Die Geschichten in den Akten gleichen sich. Gewalttätige Männer mit einer Laufbahn als Gewalttäter. Anklagen wegen Drogenbesitzes,

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