Haus des Todes
haben, mit wem sie es
zu tun haben. Die Ereignisse wiederholen sich. Er musste das damals tun – es gab Gerüchte, Whitby würde ungeschoren davonkommen, weil man das Geständnis aus ihm herausgeprügelt hatte –, und das konnte er nicht zulassen. Es fiel ihm schwer, der Polizei diesen Fehler nicht anzulasten, obwohl die Beamten Whitby in der Hoffnung geschlagen hatten, durch sein baldiges Geständnis Jessica noch lebend zu finden. Also hatte Caleb die Arbeit für sie erledigt.
Als er das letzte Mal hier war, lag James Whitby bewusstlos auf dem Rücksitz seines Wagens. Caleb schließt die Augen und durchlebt erneut jenen Moment, erinnert sich an jenen Tag. An die lange schlaflose Nacht davor, mit seiner Frau im Arm, während er von Wut und Tränen gepeinigt wurde, bis zum nächsten Morgen, der auch nicht besser war. Der Tag begann damit, dass der Regen den Schnee fortspülte. Kein blauer Himmel, keine Sonne. Er verabschiedete sich von seiner Frau, und als er zu ihr zurückkehrte, hatte er zwei Männer getötet.
Als er mit Whitby den Schlachthof erreichte, schaltete er nicht mal den Motor aus. Denn er war sich sicher, dass ihm bis zum Eintreffen der Polizei höchstens ein paar Minuten blieben. Darum wollte er keine Zeit verlieren. Wie sich herausstellte, musste er sich nicht beeilen. Wie sich herausstellte, fand die Polizei erst heraus, was er getan hatte, nachdem man ihn zu Hause verhaftet hatte.
Er zerrte Whitby durch den Schneematsch ins Gebäude. In denselben Raum, legte ihn ins Blut seiner Tochter und schlug ihm so lange ins Gesicht, bis er wieder zu sich
kam. Caleb wollte Ruhe bewahren, wollte Whitby fragen, warum er seiner Tochter wehgetan hat, aber das gelang ihm nicht. Er verlor die Beherrschung.
Er fing sofort an, auf ihn einzustechen. Davon wurde seine Tochter zwar auch nicht wieder lebendig, aber das bewahrte andere Mädchen vor dem Tod. Und dafür wanderte Caleb fünfzehn Jahre in den Knast. Seine Frau brachte sich um, mitsamt ihrem ungeborenen Baby. Aber dafür konnte er James Whitby nicht mehr bestrafen.
Caleb zielt mit dem Stein auf eines der wenigen Fenster des Schlachthofs, das im Laufe der Jahre nicht zu Bruch gegangen ist, doch er wirft daneben, und der Stein prallt einen Meter tiefer von der Wand ab und landet im Gestrüpp.
Es wird erst in fünf, sechs Stunden wieder dunkel, und es ist ihm zu riskant, die Arbeit, die hier auf ihn wartet, vorher in Angriff zu nehmen. Er wird Ariel Chancellor aufsuchen. Das hatte er eigentlich vor, als er vorhin hier rausgefahren ist. Er weiß immer noch nicht, was er ihr sagen soll. Oder was er tun soll. Zunächst wird er allerdings eine weitere Hellseherin konsultieren. Warum nicht – irgendwie muss er ja die Zeit totschlagen.
Apropos totschlagen – da wären noch der Richter und Mrs. Whitby. Im Anschluss wird er wieder hierher zurückfahren. Und dann wird das Blut in Strömen fließen.
Heute Abend wird im Schlachthof alles ein Ende finden.
Kapitel 25
Die Stadt wischt unscharf an uns vorbei. Schroders Wagen hat vorn ein Blaulicht eingebaut und eine Sirene, die während der ganzen Fahrt zum Haus des Arztes eingeschaltet ist. Die meisten Leute versuchen, Platz zu machen, einige jedoch sind überfordert, bleiben stehen und versperren uns den Weg.
»Was denkst du?«, fragt Schroder.
»Was haben Psychiater und Anwälte gemeinsam?«, frage ich.
»Außer dass sie zu teuer sind?«, fragt er und reißt das Lenkrad herum, um einem Wagen auszuweichen, der aus einer Ausfahrt kommt. »Manchmal haben beide mit ziemlich kranken Menschen zu tun.«
»Ganz genau. Was, wenn unser Mörder ihr Klient war und er seiner Anwältin und seinem Psychiater an irgendwas die Schuld gibt?«
»An was?«
»Keine Ahnung. Dasselbe, woran er seinem Lehrer, seinem Buchhalter und seinem Scheidungsanwalt die Schuld gibt. Das, was ihn ins Gefängnis gebracht hat. Sein Leben ist den Bach runtergegangen, und er glaubt, diese Leute sind schuld daran.«
Stanton lebt in einem schönen Viertel mit freundlichen Nachbarn, die jetzt alle einen langen Hals machen, um einen guten Blick auf das Geschehen zu haben. Mehrere Streifenfahrzeuge haben die Straße abgeriegelt, und
Übertragungswagen behindern den Verkehr. Über uns kreist der Hubschrauber eines Fernsehsenders, und wenn wir Glück haben, regnet es gleich vielleicht Reporter und Kameramänner. Stanton wohnt in einem zweistöckigen Haus mit einem saftig grünen, gepflegten Vorgarten. Zwischen den Sträuchern um das Haus herum
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