Haus des Todes
Vergewaltigung und bewaffneten Raubüberfalls und hin und wieder ein Mord. Kein Wunder, dass Neuseelands Einwohner eine Volksabstimmung zur Todesstrafe wollen.
»Wir brauchen diese verdammten Anwaltsakten«, sage ich.
»Wenn uns die Kanzlei die Arbeitszeit in Rechnung
stellen könnte, wäre sie bestimmt kooperativer«, sagt Schroder.
Wir bilden zwei verschiedene Stapel. Personen, die als Täter infrage kommen, und diejenigen, die wir ausschließen können. Das Problem ist nur, dass alle Männer in diesen Akten in der Lage wären zu töten. Keiner sticht heraus. Nach einer Stunde haben wir erst ein Drittel durchgearbeitet, und mein Stapel mit möglichen Tätern ist immer noch so groß wie zu Beginn.
»Es gibt was Neues«, sagt ein Detective, der gerade das Zimmer betritt; es ist Watts, dem Landry mal das Gesicht mit Sekundenkleber an seinem Schreibtisch festgeklebt hat. »Ein Arzt wird vermisst«, teilt er uns mit und schaut die meiste Zeit zu Schroder. »Ein Psychiater. Nicholas Stanton. Als das Kindermädchen heute Morgen zu seinem Haus kam, hat sie Kampfspuren entdeckt. Daraufhin sind ein paar Beamte zum Tatort gefahren, und sie haben soeben bestätigt, dass Stanton offensichtlich überfallen wurde.«
Schroder blickt jetzt nicht mehr zu Watts, sondern zu mir. Wir denken beide dasselbe. Watts erklärt es trotzdem. »Zwei tote Anwälte, ein Buchhalter, ein Lehrer. Und jetzt ein vermisster Arzt. Da könnte es einen Zusammenhang geben, oder?«
Schroder schaut mich immer noch an. So wie alle anderen im Zimmer. Als würden sie auf einen Kommentar von mir warten, bevor sie sich zu Wort melden, aber dem ist nicht so. Sie machen sich ihre eigenen Gedanken darüber, was das zu bedeuten hat.
»Ein Kindermädchen heißt Kinder«, sage ich. »Aber wie viele?«
»Drei«, erklärt Watts. »Stanton lebt getrennt von seiner Frau und hat das volle Sorgerecht für die drei Kinder. Die beiden älteren sind heute nicht in der Schule erschienen. Zwei Töchter, elf und acht Jahre alt. Und um die Einjährige kümmert sich normalerweise das Kindermädchen.«
»Auf geht’s«, sagt Schroder, steht auf, und ich folge ihm.
Kapitel 24
Caleb schreckt im Wagen vor dem Schlachthof aus dem Schlaf hoch und lauscht dem Radio. Mist. Er wollte nur für ein paar Sekunden die Augen zumachen, höchstens fünf Minuten, doch ein kurzer Blick auf seine Uhr verrät ihm, dass er für drei Stunden auf dem Fahrersitz eingenickt ist. Die warmen Sonnenstrahlen im Zusammenspiel mit seiner Erschöpfung haben ihn umgehauen. Er räkelt sich auf dem Sitz, ihm tut der Nacken weh, er hat ihn sich im Schlaf verdreht. Im Radio laufen die Mittagsnachrichten. Es kommen jede Menge Berichte, allerdings kennen die Reporter kaum Einzelheiten. Auch wenn sie offensichtlich nicht das Geringste wissen, hält sie das nicht davon ab zu berichten. Caleb versucht, mit dem Handy eine Internetverbindung herzustellen, doch das Signal ist zu schwach.
Er steigt aus dem Wagen und lehnt sich dagegen. Rings um die Sonne nichts als blauer Himmel, nur Richtung Stadt ist es bewölkt. Im Schatten ist der Boden immer noch feucht. Und es sind ein paar Vögel zu sehen. Er beugt sich hinunter, nimmt einen Stein, wirft ihn hoch und fängt ihn wieder auf, immer und immer wieder. Das erste Mal ist er vor fünfzehn Jahren mit James Whitby hier rausgefahren. An diesem Tag sind Menschen gestorben. Zunächst ein Polizist. Das war nicht seine Absicht gewesen. Seinetwegen haben die Cops den anderen Häftlingen erzählt, er habe seine eigene Tochter vergewaltigt und ermordet. Das hatte jahrelange Misshandlungen für ihn zur Folge, und die Cops waren zufrieden. In gewisser Weise kann er es ihnen nicht verdenken.
Fünfzehn Jahre. Mein Gott, er kann nicht glauben, dass es schon so lange her ist. Das ist fast ein Drittel seines Lebens. Seine Tochter ist inzwischen länger tot, als sie gelebt hat. Kann das wirklich sein?
Fünfzehn Jahre. Wahnsinn. Als er damals hierherkam, hing am Tatort immer noch das Absperrband. Es war kein Problem, den Raum zu finden, in dem seine Tochter gestorben war. Er musste nur nach dem Blut Ausschau halten. Im Gebäude war es arschkalt, und er hatte das Gefühl, ihm würden auf dem Weg vom Auto zur Tür die Zehen abfrieren. Obwohl er auf die Polizei einen Vorsprung hatte, war er überzeugt, dass sie wussten, wer Whitby entführt hatte und wo er mit ihm hingefahren war, so wie er jetzt davon überzeugt ist, dass sie erneut hierherkommen werden, sobald sie herausgefunden
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