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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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auf sich sein. Zwei Kilo
dagegen – die waren als ganz normale Schwankungen im Wochenlauf schon mal
drin. Pfund – dieses Maß verwendeten sonst nur noch die
Metzgereifachverkäuferinnen.
    Was war aus dem drahtigen Mike Morgenstern geworden, der vor zwanzig
Jahren noch hautenge Röhrenjeans getragen hatte? Nein, dachte Morgenstern, als
er sich vor dem Spiegel drehte: Er musste an sich arbeiten. Nicht irgendwann.
Sofort.
    »Ab morgen früh«, murmelte er und fasste einen energischen Vorsatz:
Er würde wieder mit dem Joggen beginnen. Hatte er nicht vor Jahren in Nürnberg
einen Halbmarathon geschafft? So weit musste er wieder kommen.
    Morgenstern, der Mann im Spiegel, beschloss, auszugehen. Vielleicht in
den irischen Pub in Eichstätts Marktgasse, wo er schon lange nicht mehr gewesen
war. Zu lange, wie er jetzt fand. Das Publikum war ihm in letzter Zeit immer zu
jung erschienen – oder war er einfach zu alt geworden? Er zog den Gürtel
seiner Jeans bis zum vorletzten Loch zusammen, ging zum Kleiderschrank und
wühlte in den Untiefen. Er entschied sich für ein T-Shirt mit den aufgedruckten
Tourdaten von BAP anno 1987. Mit nassen Fingern
fuhr er sich durchs Haar, schlüpfte in seine Jeansjacke und teilte der
überraschten Fiona mit, dass er ausgehen werde, obwohl es schon elf Uhr war.
    »Wolltest du nicht eben noch ins Bett gehen?«, fragte sie.
    »Hab’s mir anders überlegt«, brummelte Morgenstern und knöpfte dabei
die Jacke zu, damit Fiona sein enges T-Shirt nicht sah.
    Kopfschüttelnd sah sie ihm nach, als er die Wohnungstür hinter sich
zuzog.
    Morgenstern stromerte ziellos durch die Stadt. In der Luitpoldstraße
sah er ein paar junge Leute, die rauchend vor einer Kneipe standen, in der er
noch nie gewesen war. Er überlegte kurz, dann drückte er die Tür auf und ging
hinein. Es war schummrig, leere, schlichte Wirtshaustische warteten auf Gäste,
an den Wänden hingen Fußballtrophäen: Schals von internationalen Mannschaften.
An der Theke saßen Jugendliche, einer löste ein Kreuzworträtsel. Der Wirt
spielte mit einem Besucher Schach. In der Ecke blinkte ein Dart-Automat. Aus
den Boxen klangen die Doors. Morgenstern wurde warm ums Herz. Er zog sich einen
Barhocker heran und bestellte ein Bier.
    »Neu hier?«, fragte der Wirt.
    »Wie man’s nimmt.«
    Unauffällig machte Morgenstern den Gürtel weiter und nahm einen
großen Schluck Bier. »Wurm-Bräu«, stand auf dem Glas. Na dann prost. Es
schmeckte.
    »Wenig los hier«, sagte er.
    »Die kommen schon noch.«
    Wie auf Knopfdruck ging die Tür auf, und eine Gruppe neuer Gäste
drängte herein. Morgenstern musterte sie mit unverhohlener Neugierde.
    »Was hab ich gesagt?«, sagte der Wirt grinsend und begann, Bier zu
zapfen.
    Morgenstern hatte die feste Absicht, seinen Beobachterstatus zu
wahren, aber nach fünf Minuten fehlte ein Dart-Partner, und ehe er sich versah,
stand er mit fünf anderen am Pfeilwurf-Apparat. Ein junger Mann in
knöchellangem schwarzen Ledermantel hatte ihn nach kurzem Zögern gefragt, ob er
mitmachen wolle, und er hatte Ja gesagt. Gut, dass Fiona ihn jetzt nicht sah –
oder gar sein Chef Adam Schneidt vom Polizeipräsidium. Er warf miserabel, aber
das schien keinen zu stören. Warum das so war, merkte er erst, als er das Spiel
verloren hatte und dazu aufgefordert wurde, eine Runde Jägermeister auszugeben.
    Der Wirt schenkte ein, und sie tranken ihre Gläser auf einen Zug
leer.
    »Ah.« Morgenstern wischte sich den Mund ab, zahlte und wandte sich
zum Gehen. Als er die Tür öffnete, erwartete ihn eine Überraschung: Inmitten
des halben Dutzends rauchender junger Leute entdeckte er Raphaela Ledermann.
Natürlich, dachte Morgenstern. Dieses Lokal war genau ihre Kragenweite, und wenn
sie schon einmal auf unfreiwilligem Heimaturlaub war, dann war es kein Wunder,
wenn ihr erster Weg am Abend hierherführte, auch wenn es ein ziemlich weiter
Weg von Raitenbuch nach Eichstätt war.
    Raphaela sah ihn an, es dauerte aber offensichtlich einen Moment,
bis der Groschen gefallen war. Doch dann kam sie in Fahrt. Sie schob die
anderen zur Seite und baute sich vor Morgenstern auf.
    »Ich glaub’s einfach nicht!«, motzte sie ihn an. »Sie kommen in meine
Kneipe. Haben Sie mich gesucht, oder was wollen Sie hier?«
    Neugierig schauten ihn die anderen an. »Hey, der ist okay. Der hat
gerade mit uns gedartet«, sagte einer aus der Gruppe.
    Raphaela tippte sich an die Stirn. »Und wenn schon, der Typ ist ein
Bulle. Ich kenn den. Der ist bei der Kripo in

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