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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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in Richtung Toiletten. Morgenstern sah den Wirt
ratlos an.
    »Ich hab nichts gemacht, ehrlich«, sagte er. Dann ging er erneut
hinaus in die sternenklare Sommernacht.
    Auf dem Nachhauseweg kam er leicht schwankend an einer Straßenlaterne
vorbei. Fasziniert blieb er stehen. Hunderte von Faltern, Käfern, Fliegen und
Mücken umtanzten torkelnd die Lampe, stießen unablässig gegen das hell
erleuchtete Glas, verfingen sich in fein gewebten Netzen, die von widerlich fetten
Spinnen bewacht wurden, die hier leichte Beute machten. Ein schwarzer Schatten
umhuschte mehrmals die Lampe. Morgenstern brauchte eine Weile, bis er erkannte,
dass es sich um eine Fledermaus handelte, die sich in zackigem Flug am reich
gedeckten Tisch bediente.
    Ob sich der Hausbock auch von künstlichem Licht anlocken ließ?,
dachte er kurz. Dieser Andi würde die Antwort wissen. Bescheuert, worüber er
sich mit Raphaela unterhalten hatte. Mit einem Mal ekelte es ihn vor der Lampe
und den dicken Spinnen, den zappelnden Nachtfaltern und all den surrenden
geflügelten Geistern der Nacht, die diese falsche Sonne umschwirrten. Vor diesem
Schauspiel von der Gier nach Licht, die den verblendeten Tänzern nichts anderes
brachte als den Tod.
    Er wandte sich kurz um, ob ihn jemand beobachtete. Dann holte er mit
dem Bein aus und trat mit voller Wucht gegen den Lampenmast. Die Straßenlaterne
erlosch erwartungsgemäß augenblicklich, der stoßempfindliche Leuchtkörper war
hinüber. Ein klassischer Fall von Vandalismus, dachte er. Morgenstern, der
Freund der Motten, nicht der Spinnen. Eilig ging er nach Hause. Die harten
Absätze seiner Stiefel waren weithin zu hören.

SECHS
    Der nächste Morgen begann mit einer Enttäuschung: Der Vater von
Kevin Hofmeier meldete sich um acht Uhr telefonisch, um mitzuteilen, dass sein
Sohn in dieser Nacht nicht nach Hause gekommen sei. Kevin sei wie vom Erdboden
verschluckt, erklärte er verzweifelt. Er selbst habe bereits verschiedene
Freunde und Bekannte von Kevin angerufen.
    »Niemand weiß, wo er steckt.«
    Die nächste unangenehme Nachricht war, dass Kriminaldirektor Adam
Schneidt, ihr gestrenger Vorgesetzter, einen Zwischenbericht einforderte.
Hecht, die gute Seele, hatte noch in aller Eile die wichtigsten Informationen,
die sie bisher gesammelt hatten, zusammengeschrieben.
    »Was können wir ihm bieten?«, fragte Morgenstern, bevor sie an
Schneidts Tür klopften.
    »Den Brandstifter aus Emsing, die Liste mit Ledermanns überzogenen
Gerichtsurteilen, das Protokoll der Informationen seiner Familie, die Ergebnisse
aus der Rechtsmedizin.
    »Ist doch was«, sagte Morgenstern erleichtert. »Danke, Spargel.«
    Hecht warf ihm einen finsteren Blick zu. Er mochte seinen Spitznamen
nicht, der nicht nur daher rührte, dass er lang und dünn wie ein Spargel war,
sondern vor allem davon zeugte, dass er in der berühmten bayerischen
Spargelmetropole Schrobenhausen wohnte. »Ich frage mich manchmal wirklich, was
du ohne mich tun würdest, Mike«, sagte er nicht ohne Vorwurf. »Du schreibst
ungern Berichte, kannst nicht mal ordentlich Schreibmaschine schreiben. Immer
bloß mit dem Adler-Suchsystem, dreimal kreisen, einmal stoßen. Steno kannst du
auch nicht. Und heute hast du dich noch nicht mal rasiert. Warst du gestern
noch lange aus, oder was?«
    »Und wenn schon. Aber rate mal, wen ich da ganz ohne Steno und
Computertastatur getroffen habe.«
    »Wen denn?«
    »Raphaela Ledermann, die Autonome aus Hamburg. Einfach so, in der
Kneipe. Und wir haben sogar ein Weilchen geplaudert. Nur unschön, dass sie mich
durchweg ›Bulle‹ genannt hat.«
    »Der Bulle und das Mädchen«, sagte Hecht. »Der Bulle macht
Überstunden. Hast du was Neues erfahren?«
    Morgenstern kratzte sich am stoppeligen Kinn und versuchte, sich das
Gespräch in Erinnerung zu rufen. »Sie wohnt bei so einem komischen
Insektenforscher.«
    In diesem Moment öffnete sich die Tür von Schneidts Büro, ihr
Vorgesetzter streckte den Kopf heraus und herrschte sie an: »Wie lange wollen
die Herren ihr Plauderstündchen denn vor meiner Tür noch fortsetzen? Jetzt aber
dalli. Kommen Sie rein.«
    Die beiden warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Mit dem Chef war
wieder einmal nicht gut Kirschen essen. Gehorsam trabten sie in das Büro mit
dem überdimensional großen Schreibtisch, der riesigen Landkarte an der Wand und
vor allem mit der durchgesessenen, abgewetzten Couch, auf der Adam Schneidt
seine Untergebenen stets platzierte. Alle wussten, dass das ein Trick aus

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