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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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Ingolstadt.«
    Die Neugierde in der Gruppe wich schlagartig einem deutlichen
Misstrauen, und Morgenstern fühlte sich in seiner Haut so unwohl wie lange
nicht mehr. »Na und«, sagte er mehr zu Raphaela als zu den anderen. »Seit wann
dürfen Polizeibeamte abends nicht mehr privat ausgehen? Ich wohne schließlich
hier in Eichstätt. Außerdem kann ich mich nicht erinnern, dass ich hier
irgendwie undercover ermittelt hätte – das meinen Sie doch, Frau
Ledermann? In Eichstätt gibt es zudem ein paar hundert Polizisten. Wir haben
hier immerhin die Bereitschaftspolizei. Ich denke mal, ein paar Polizeischüler
kommen auch ab und zu hier rein und trinken ein Bier.«
    »Und Sie sind trotzdem ein Schnüffler«, beharrte Raphaela.
    Morgenstern spürte den Jägermeister und das Bier und musste seine
gesamte Selbstbeherrschung aufwenden, um nicht aus der Haut zu fahren. »Wissen
Sie, was ich jetzt mache?«, fragte er in die Runde. Alle schauten ihn
erwartungsvoll an. »Eigentlich wollte ich grade nach Hause gehen. Es war
nämlich ein langer Tag heute. Aber jetzt bleibe ich noch ein bisschen hier. Das
ist schließlich ein freies Land.« Sprach’s und kehrte demonstrativ in die
Kneipe zurück.
    Der Wirt sah ihn erstaunt an. »Doch wieder hier?«, fragte er.
    »Ach, ich habe noch eine Bekannte getroffen«, sagte Morgenstern
beiläufig und setzte sich wieder an seinen alten Platz am Tresen. »Ich trinke
noch ein Bier.«
    Wenige Augenblicke später kamen die anderen von ihrer Raucherpause
herein. Raphaela bedachte Morgenstern, der sich zu ihr umgewandt hatte, mit
einem wütenden Blick. Doch Morgenstern lud sie mit einer lässigen Handbewegung
ein, sich neben ihn zu setzen. Mürrisch nahm sie auf dem angebotenen Barhocker
Platz.
    »Ich weiß gar nicht, warum ich mich neben einen Schnüffler setze«,
sagte sie.
    »Ganz einfach. Weil dieser Schnüffler herausfinden will, wer Ihren
Vater auf dem Gewissen hat. Und weil Sie selbst das auch gerne wissen wollen.
Vorausgesetzt, Sie haben nicht selbst schon eine Idee.«
    »Habe ich nicht, und das habe ich Ihnen schon heute Vormittag
gesagt«, meinte Raphaela trotzig.
    »Wo haben Sie eigentlich Ihren Hund gelassen?«
    »Der ist in Raitenbuch, in der WG von meinen Freunden, auf dem Hof von Andi.«
    »Und was macht der Andi so?«
    »Der studiert. Schon ziemlich lange. Schreibt an seiner Doktorarbeit.«
    Morgenstern musste schmunzeln.
    »Was gibt’s denn da zu grinsen?«, fragte Raphaela.
    »Nichts. Ich meine bloß, dass so eine Doktorarbeit auch nicht mehr
das ist, was sie mal war.«
    »Der Andi macht das schon alles korrekt. Nicht so wie dieser schmierige
Typ mit seinen gegelten Haaren und seinem Adelstitel.«
    »Und wahrscheinlich schreibt er über irgendwas, auf das kein Mensch
gewartet hat«, sagte Morgenstern mit leicht abschätzigem Ton.
    »Irrtum. Der Andi ist Biologe, ganz praktisch veranlagt. Er forscht über
Holzschädlinge. Das ist ziemlich interessant.«
    »Andi, der Schrecken der Holzwürmer«, sagte Morgenstern und nahm
einen Schluck Bier.
    »So ungefähr. Nur dass er sich nicht mit Holzwürmern abgibt.«
    »Sondern?«
    »Der Andi erforscht den Hausbock.«
    Morgensterns Gesichtsausdruck war ein einziges Fragezeichen. »Er
erforscht was?«
    »Den Hausbock. Noch nie davon gehört?«
    Morgenstern schüttelte den Kopf.
    »Das sind so schwarzbraune Käfer. Die befallen Balken in Häusern und
legen da ihre Larven rein. Massenhaft.«
    »Und dann?«
    »Die Larven fressen in den Balken so lange, bis die fast hohl sind.«
    »Wie Termiten?«, fragte Morgenstern, der sich vage an
Schauergeschichten aus den USA erinnerte, wo
Termiten ganze Holzhäuser entkernt hatten, bis nur noch eine papierdünne
Außenhülle übrig geblieben war, die bei der ersten Berührung in sich
zusammenfiel.
    »Was weiß ich?«, sagte Raphaela. »Da müssten Sie schon den Andi
selber fragen.«
    Morgenstern trank sein Bier aus. »Jedenfalls finde ich das schön, dass
Sie sich mit mir unterhalten haben, Frau Ledermann. Ich dachte vorhin auf der
Straße schon, Sie fressen mich auf.«
    »Nicht solange Sie herausfinden, wer meinen Vater …« Sie
zögerte kurz, dann wandte sie sich zur Seite und hielt sich für eine Weile den
Ärmel ihrer Lederjacke vor die Augen. Morgenstern klopfte ihr beruhigend auf
die Schulter. Ein Fehler, wie er noch im selben Moment erkannte. Zornig wandte
sich die junge Frau zu ihm um und fauchte:
    »Nehmen Sie Ihre Pfoten von mir weg, Bulle.« Abrupt stand sie von
ihrem Stuhl auf und verschwand

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