Hausbock
Öffentlichkeit
zeigen. Wissen Sie, was ihn dazu motiviert hat?«
Käutler dachte kurz nach. »Das ist uns allen ein wenig rätselhaft.
Meistens ist es so, dass wir vom Vorstand Hausbesitzer ansprechen und ihnen
einen Tag der offenen Tür schmackhaft machen. Aber Ledermann ist von selbst auf
uns zugekommen und hat sich angeboten. Das hat uns überrascht, freudig
überrascht. Die Mühle wäre ein Publikumsmagnet geworden. Ich habe mit ihm erst
vor einigen Tagen telefoniert, um die letzten Einzelheiten abzustimmen. Er war
mir gegenüber allerdings sehr reserviert. Hat nur gesagt, es wäre höchste Zeit,
dass die Menschen aufwachen im Altmühltal. Dass der Abrisswahn ein Ende haben
muss. Daran erinnere ich mich genau.«
»Das klingt mir nach ziemlicher Selbstüberschätzung«, sagte Hecht
über seinen Schreibblock hinweg. »Was will ein Mann alleine denn erreichen?«
»Unterschätzen Sie die Macht gelungener Vorbilder nicht«, gab
Käutler zurück. »Aber es ist nicht einfach, den Leuten draußen auf den Dörfern
die Augen zu öffnen. Und hier in der Stadt ist es auch nicht viel besser.
Ständig gehen bei der Verwaltung Abbruchanträge für Jurahäuser ein.«
»Man müsste sie ja nicht genehmigen«, sagte Morgenstern.
»Die meisten Jurahäuser stehen nicht unter Denkmalschutz«, antwortete
Käutler. »Sie sind nicht in die Denkmalliste eingetragen worden, aus
Nachlässigkeit – obwohl sie natürlich Denkmäler sind. Wenn ein Haus
dreihundert Jahre alt ist, dann steht das doch außer Zweifel.«
»Dann muss man es halt in diese Liste nachtragen«, warf Hecht ein.
»Da ist doch nichts dabei.«
»Ist es eben schon. Man hat versucht, einzelne Häuser von Amts wegen
unter Denkmalschutz zu stellen, aber wenn der Eigentümer nicht will, dann führt
das zu endlosen Streitereien. Manche Leute glauben, dass das einer Enteignung
gleichkommt.«
»Und was glauben Sie?«, fragte Morgenstern.
»Wir glauben, dass Eigentum verpflichtet. Das steht sogar im Grundgesetz.
Wer so ein Haus hat, dem gehört es nur zum Teil selbst. Er bewahrt es auch für
die nächste Generation.«
Morgenstern überlegte, woher er diesen Spruch kannte. Er kam rasch
darauf: aus einer Zeitschriftenwerbung für sündteure Luxus-Uhren, wo ein
versnobter Mann im Kaschmirpullover seinem wie aus dem Ei gepellten, geradezu
geklonten Buben das Segeln oder wahlweise Golfen beibrachte und dabei einen
Zehntausend-Euro-Chronometer vor die Fotolinse hielt. Für Morgenstern war das
der Inbegriff der Spießigkeit, von so etwas wurde ihm beinahe übel.
»Für die nächste Generation bewahren«, wiederholte er. »Ich habe im
Fall Ledermann den Eindruck, dass die Angehörigen die Begeisterung für
Legschiefer und alte Balken nicht in vollem Umfang teilten.«
»Dazu kann ich nichts sagen«, erwiderte Käutler knapp. »Sicher ist
jedenfalls, dass Dr. Ledermanns Mühle, die Schwarzmühle, in der
Denkmalliste stand und damit besonderen staatlichen Schutz genoss.«
Morgenstern schüttelte den Kopf. »Um auf Dr. Ledermann zurückzukommen:
Sie sagten vorhin, dass er auf Sie reserviert wirkte.«
Käutler nickte. »Irgendetwas hatte er auf dem Herzen, ein besonderes
Anliegen. Ich habe aber keine Idee, was es war«, sagte er schließlich. »Dr. Ledermann
hatte sogar eigens die Presse eingeladen, hat er mir gesagt. Die Zeitung, das
Regionalfernsehen, das Lokalradio. Angeblich wollten alle kommen.«
»Erstaunlich«, sagte Hecht. »So spannend ist mir diese Mühle nicht
vorgekommen.«
»Normalerweise schicken die zu solchen Veranstaltungen keine
Reporter«, räumte Käutler ein. »Erst recht nicht, wenn der Ort so abgelegen
ist.«
»Mit irgendetwas muss er sie geködert haben«, sagte Morgenstern
nachdenklich.
»Aber dann hat der Falsche angebissen«, folgerte Hecht düster.
Als sie im Auto saßen, zog Hecht die Liste mit Ledermanns
Problemurteilen aus der Tasche. »Verdammt, ich habe vorhin vergessen, mich drum
zu kümmern, dass die Schwabacher die Alibis abklopfen. Wo habe ich nur meinen
Kopf?«
Zum ersten Mal sah Morgenstern sich das Blatt genau an. »Hm«,
brummte er missvergnügt. »Fünf Leute.« Er las die Adressen der Angeklagten, die
aus ihrer Sicht wohl Ledermanns Justizopfer waren. Seine Leichen im Keller.
»Alesheim, Pleinfeld, Döckingen. Sagt mir alles nichts.« Er runzelte die Stirn.
»Na, was haben wir denn da?«
Hecht sah ihn erstaunt an.
»Raitenbuch«, sagte Morgenstern leise.
»Na und?«, fragte Hecht.
»Das ist das Dorf, in dem Ledermanns Tochter
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