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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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arrangiert. Sie
könnten ihn auf der Baustelle des neuen Vereinshauses treffen, hatte er am
Telefon angeboten. In Eichstätt, in der Rot-Kreuz-Gasse nördlich der Altstadt.
Die sogenannte »Lila Villa«. Da gebe es heute den ganzen Tag einen
ehrenamtlichen Arbeitseinsatz der Vereinsmitglieder, verbunden mit praktischen
Vorführungen in alten Handwerkstechniken: »Wir zeigen, wie Lehmwickeldecken gemacht
werden.«
    »Aha«, hatte Hecht nur gesagt.
    Als die Kommissare vor dem winzigen, niedrigen Haus standen,
brauchten sie eine Weile, bis sie das heruntergekommene Anwesen mit dem Namen
»Lila Villa« auf einen Nenner brachten.
    »Ich sehe keine Villa«, sagte Morgenstern.
    Hecht deutete auf eine Mauer, an der der Putz schon in großen
Platten abgeplatzt war. »Das Häuschen war mal lila gestrichen. Daher der Name.«
    Sie stellten ihren Wagen an den Rand der schmalen Straße, stiegen
aus und sahen sich das Haus genauer an. Der Verein hatte dem heruntergekommenen
Gemäuer bereits ein nagelneues Kalkplattendach verpasst. Zwei weiß gekalkte
Kamine ragten daraus hervor.
    Der Eingang des Häuschens lang tiefer als das Straßenniveau. Das
Gebäude hatte dadurch etwas Geducktes, Verschüchtertes. Über der Eingangstür
stand, in Stein gemeißelt, die Jahreszahl 1606.
    An der Nordseite des Hauses lag ein kleiner Hofstreifen. Die Hauswand
hier bestand aus Fachwerk, die Balken waren neu eingesetzt worden, die
ebenfalls neuen Ziegelsteine leuchteten rot in der Sonne.
    »Ein Haufen Arbeit«, sagte Morgenstern kopfschüttelnd, als sie die
Baustelle sahen. »Schau dir das an!« Er deutete auf fünf Menschen, die in dem
Hofstreifen standen, vor sich eine große Holzplatte, die auf ein paar
Holzböcken lag. Die fünf kneteten mit großer Hingabe – soweit Morgenstern
das sehen konnte – mit bloßen Händen Matsch. Erst als die Ermittler schon
direkt neben ihnen standen, blickten sie auf.
    »Ach, da sind Sie ja schon«, sagte ein Mann in Morgensterns Alter
mit einstmals weißem T-Shirt und blauer Arbeiterlatzhose, dessen Arme bis zum
Ellbogen mit ockerfarbenem Lehm verschmiert waren. »Sie sind doch die beiden
Herren von der Kriminalpolizei?«
    »Ja«, bestätigte Morgenstern. »Und Sie sind der Vereinsvorsitzende,
Herr Käutler?«
    »Stimmt genau. Herbert Käutler. Wir machen hier gerade die
Lehmwickeldecke für die gute Stube.«
    »Interessant«, sagte Morgenstern höflich. »Das ist ja eine furchtbare
Bazerei.«
    »Und ob«, sagte Käutler. »So ein Gemansche dürfen sonst nur Kinder
im Sandkasten machen.«
    »Und was wird das, wenn’s fertig ist?«, fragte Morgenstern skeptisch.
    »Das wird die Deckenisolierung. Alles hundert Prozent ökologisch.
Wir nehmen Eichenholz, hier, sehen Sie.« Käutler deutete mit seinen
Schlammhänden auf einen Stapel Holzstangen, die etwa auf eine Länge von
eineinhalb Metern abgeschnitten waren. »Und die werden dann mit Stroh und Lehm
umwickelt und zwischen die Balken eingehängt. Natürlicher können Sie ein Haus
nicht isolieren.«
    »Ist aber eine Schweinearbeit«, kommentierte Morgenstern unbarmherzig.
»Ich würde da einfach Styroporplatten hochnageln.«
    Der Vereinsvorsitzende ächzte. »Kann man auch machen«, sagte er und
streifte sich vorsichtig Lehmklümpchen von den Fingern. Er wurde ernst. »Aber
deswegen sind Sie nicht da.«
    Hecht hatte bereits seinen Notizblock gezückt. Sie stellten sich auf
den Gehweg, wo die anderen Lehmkneter sie nicht hören konnten.
    »Herr Käutler«, begann Morgenstern, »was können Sie uns über Rupert
Ledermann erzählen? Gibt es irgendjemanden, der mit diesem Tag der offenen Tür
Probleme hatte? Jemand hat sich sehr viel Mühe gegeben, dass von der
Schwarzmühle kein Stein auf dem anderen geblieben ist.«
    Käutler wischte sich nachdenklich die Hände an seiner Hose ab. » Doktor Ledermann. ›Der Doktor gehört zum Namen‹, hat er
immer gesagt, wenn ihn jemand nur mit ›Herr Ledermann‹ ansprach. Das galt auch
innerhalb unseres Vereins. Das war nicht einfach, das kann ich Ihnen sagen.«
    »Wir haben schon gehört, dass er nicht sehr viele Freunde hatte«,
sagte Morgenstern. »Wie sah es mit Ihnen aus? Kannten Sie ihn gut?«
    »Ich? Ich bin noch nicht lange Vereinsvorsitzender. Aber jeder von
uns hatte irgendwann mit ihm zu tun. Er war fast bei jeder unserer
Veranstaltungen, bei jeder Versammlung.«
    Morgenstern warf einen Blick auf die Datumsanzeige seiner Uhr.
»Heute«, sagte er, »genau heute wollte Ledermann seine Mühle der

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