Hausbock
sonst
immer privat.«
»Was wollte er von Ihnen?«
Der Stadtbaumeister senkte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Das mit der
halbstündigen Wartezeit hat mir meine Sekretärin erzählt. Rupert verlor
anscheinend irgendwann die Geduld und ging wieder. Als ich aus der Besprechung
kam, war er schon weg. Und leider hat er sich dann nicht mehr bei mir gemeldet.
Ich selbst habe das dann auch vergessen.«
Morgenstern schaute in seine leere Tasse. »Dann können wir jetzt nur
noch im Kaffeesatz lesen.«
»Möchten Sie noch einen?«, fragte Baisler; Morgenstern und Hecht
bejahten.
Morgenstern fasste zusammen: »Dr. Ledermann mochte keine Architekten,
keine moderne Architektur und keine Kompromisse. Ließ er sich denn von Ihnen
überhaupt in irgendeiner Weise bei seiner Sanierung helfen, draußen im
Anlautertal?«
»Nur in einem Punkt: wenn es um Zuschussmöglichkeiten und
Genehmigungen durch das Landesamt für Denkmalpflege ging. Damit hatte er
einfach keine Erfahrung. Da muss man sich auskennen, um die verschiedenen
Möglichkeiten auszuschöpfen.«
»Und man muss die richtigen Leute kennen, in München«, fügte Hecht
hinzu.
»Stimmt. Das erleichtert die Sache ungemein. Man muss sich und sein
Projekt gut verkaufen. Da habe ich Rupert hin und wieder geholfen. Bei der
Formulierung von Anträgen zum Beispiel. Die tragen alle meine Handschrift. Das
ist das Wenigste, was man für einen Freund tun kann.« Baisler sah aus, als sei
er mit sich zufrieden.
»Hat’s etwas genützt?«, wollte Morgenstern wissen.
Baisler strahlte nun fast vor Stolz. »Oh ja, für die
Generalsanierung der Schwarzmühle gab es den absoluten Höchstsatz an
Fördermitteln. Da haben wir wohl ganze Arbeit geleistet. Am Ende bekam Rupert
sogar noch einen ungewöhnlich hohen Zuschuss für die Rekonstruktion eines
Kachelofens aus der Biedermeierzeit. Das hätte selbst ich in dieser Form kaum
für möglich gehalten. Ich glaube, etwas Vergleichbares gab es in ganz Bayern
noch nicht.«
Morgenstern dachte an den grün glasierten Putto-Kopf, den er aus dem
Schutt der Mühle geborgen hatte und der nun in Ingolstadt auf seinem
Schreibtisch lag. Da hatte er offenbar das richtige Souvenir aufgestöbert.
Grübelnd schaute er durch das offene, mit Blumen geschmückte Fenster hinab auf
den Marktplatz mit dem winkenden heiligen Willibald hoch auf dem Brunnen.
»Hoffentlich bekomme ich auch so viel Unterstützung, wenn ich eines
Tages mein Haus renoviere«, seufzte er mehr für sich selbst.
Doch Stadtbaumeister Baisler schüttelte den Kopf. »Der Staat muss
sparen, Herr Morgenstern. Das Geld fließt in die Milliardenschulden der
Bayerischen Landesbank. Da wachsen für kleine Privatprojekte die Bäume nicht
mehr in den Himmel. Leider, leider.«
»Dann hat Rupert Ledermann also gerade rechtzeitig das große Los
gezogen. Und ich schau in die Röhre«, schimpfte Morgenstern.
Missbilligend sah Baisler ihn an. »Rupert Ledermann ist tot. Wenn
das für Sie das große Los ist …«
Morgenstern errötete. »So habe ich das nicht gemeint. Ich dachte
nur, dass ich auch gerne so viel Hilfe bekommen würde, wenn es so weit ist.
Aber für mich gibt es dann bestimmt bloß Knüppel zwischen die Beine. Ich habe
so etwas schon mal läuten hören.«
»Sie bekommen von mir und meinen Mitarbeitern jede Hilfe, die Sie
brauchen, Herr Morgenstern, das verspreche ich Ihnen«, hielt der
Stadtbaumeister dagegen. »Aber noch haben Sie das Haus nicht gekauft. Also
ersparen Sie sich und uns bitte solche Latrinenparolen.«
Ein peinlicher Moment der Stille hielt im Büro Einzug, und
Morgenstern verfluchte sich für das Formulieren seiner Bedenken. So wie es
aussah, brauchten sowohl die Kriminalpolizei also auch die Familie Morgenstern
die Kooperationsbereitschaft des Stadtbaumeisters in nächster Zeit noch. Zum
Glück kam im nächsten Moment die Sekretärin mit drei weiteren Espressotassen
herein.
»Störe ich?«, fragte sie in die Stille hinein.
»Nein, Frau Müller, ganz im Gegenteil. Stellen Sie den Kaffee einfach
hier ab«, sagte Baisler. Zu Morgenstern und Hecht gewandt meinte er: »Ich habe
meine Sekretärin noch gar nicht vorstellt: Das ist Rosmarie Müller, unser guter
Geist hier im Bauamt.«
»Sie übertreiben«, sagte die Sekretärin im Hinausgehen. Doch
Morgenstern konnte sich sehr gut vorstellen, dass die Bedeutung dieser Frau
kaum zu überschätzen war. Wer das Vorzimmer beherrschte, hatte meistens nicht
nur die Hoheit über die Kaffeemaschine, sondern auch über den
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