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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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befand sich ein großes Kioskgebäude mit Biergarten und Ruderbootverleih.
Hecht sah sich die Holzboote von der Brücke aus an.
    »Nicht gerade vertrauenerweckend«, meinte er. »In ein paar schwappt
sogar das Wasser.«
    »Seelenverkäufer«, stimmte Morgenstern zu. Unter der Brücke fuhr
eine Gruppe von Kanufahrern entlang, die Altmühl war ein beliebtes
Bootsfahrerrevier. Schwer bepackte Radfahrer schlängelten sich am Weg zwischen
Kiosk und Biergarten hindurch. Es war Tourismushochsaison im Altmühltal.
Bestimmt marschierten an der Hangkante des Tals, am Panoramaweg, gerade
Kohorten von Wanderern Richtung Eichstätt.
    »Schau mal, die haben sogar einen Schwan als Tretboot«, sagte Hecht.
    »Kenne ich schon«, gab Morgenstern zurück. »Wieso? Willst du damit
fahren?«
    »Wäre doch lustig.« Und ehe sich’s Morgenstern versah, war Hecht zum
Kiosk gelaufen, vorbei an Zeitungsständern, Truhen mit Speiseeis und Kisten mit
Fossilien aus dem Altmühltal, und hatte den weißen Tretbootschwan für eine
halbe Stunde gemietet.
    »Nun komm schon«, sagte er zu Morgenstern. »Wir schauen uns die Altstadt
von der Altmühl aus an.«
    »Kenne ich schon«, wiederholte Morgenstern. »Vergiss nicht, dass
meine Frau gleich um die Ecke bei einem Kanuverleih jobbt. Wenn die uns mit dem
Schwan sieht …« Doch dann kletterte er gehorsam in das weiße
Kunststoffteil mit dem hohen Schwanenhals und nahm neben Hecht Platz. Ein
junger Mann löste eine Kette mit einem Vorhängeschloss, und unter den
neugierigen Blicken der Biergartenbesucher stachen die Kommissare in See.
    »Hat was vom Märchenkönig Ludwig dem Zweiten«, sagte Hecht, als sie
gemächlich tretend flussabwärts schipperten. »Ist der nicht auf Schloss
Neuschwanstein auch mit so einem Schwan über einen künstlichen See gefahren?«
    »Der Kini?«, fragte Morgenstern und imitierte den Klingelton seines
Handys, Richard Wagners Walkürenritt: »Dada dada daaada.« Er erhob sich von
seinem Platz, lehnte sich an den mannshohen Schwanenhals an, breitete die Arme
aus und rief: »Ich bin der König der Welt!«
    »Setz dich sofort wieder hin«, raunzte Hecht. »Du machst uns noch
zum Gespött der Leute.«
    Morgenstern nahm grinsend wieder im kippeligen Schwanenkörper Platz.
»Der König Ludwig, für den hätte unser Stadtbaumeister bestimmt gerne gebaut.
Schloss Linderhof, Schloss Herrenchiemsee, Schloss Neuschwanstein.« Sie
strampelten noch zweihundert Meter weiter bis zur Spitalbrücke, die über die
Altmühlbrücke direkt auf die Westfassade des Doms zuführte.
    Morgenstern blickte hinauf zum steilen Dach der Spitalkirche. »Lass
uns umkehren«, sagte er, und Hecht drehte eine Kurve um den betonierten
Mittelpfeiler der Brücke.
    Morgenstern fing erst leise, dann immer lauter zu singen an: »›Wir
lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord …‹«
    »Pscht!«, zischte Hecht. »Mit dir kann man sich nur blamieren.
Nächstes Mal fahre ich allein.«
    Sie kamen erneut unter dem Herzogsteg durch, passierten den Kiosk
und fuhren nun flussaufwärts. Ein munterer Bach mit glasklarem Wasser mündete,
vom Kloster St. Walburg kommend, in die Altmühl und vermischte sich mit
der grünlich braunen Brühe.
    »Ganz schön dreckig, euer Fluss«, kommentierte Hecht.
    »Das kommt davon, dass er so langsam ist. Der langsamste Fluss Bayerns«,
sagte Morgenstern und ertappte sich dabei, dass er irgendwie stolz war auf
diesen sonderbaren Superlativ. Vor ein paar Wochen noch hätte er allein den
Begriff euer Fluss vehement zurückgewiesen.
Stattdessen schwadronierte er nun etwas von »Badequalität« und
»Paddlerparadies«, als wolle er sich zum städtischen Gästeführer qualifizieren.
Sogar den klaren Bach erkannte er nun wieder. Logisch, der kam am Kapellbuck
mit seinen malerischen Jurahäusern direkt aus den Felsen geschossen.
    Hecht zeigte sich mäßig beeindruckt und gab dem Schwanenboot durch
besonders eifriges Treten die Sporen. Vor ihnen kam schon wieder eine
Fußgängerbrücke. »Die führt zum Freibad und zum Jugendzentrum«, erklärte
Hobby-Stadtführer Morgenstern. »Ein ganz modernes Bauwerk, schau mal, wie
elegant die ist.«
    Die Brücke bestand aus einem einzigen anthrazitfarbenen Stahlstück,
das aerodynamisch gebogen über der Altmühl schwebte. Fast lässig wirkte die
Konstruktion, flach und elegant.
    Flach? Es gab einen dumpfen, kräftigen Schlag, verbunden mit einem
abrupten Stopp des Bootes. Die Kapitäne wurden aus ihren Plastiksitzen nach
vorn gehoben, konnten sich

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