Hausbock
aber mit Mühe festhalten.
»Verdammt noch mal!«, rief Morgenstern. »Das darf doch nicht wahr
sein, dass der Schwan nicht unter der Brücke durchpasst.«
Der Schwanenkopf, die Galionsfigur des Tretbootes, hatte eine
hässliche Schramme abbekommen, stellte Hecht bei näherer Betrachtung fest.
»Können die nicht eine höhere Brücke bauen?« Er schüttelte den Kopf.
Kleinlaut gaben die Havaristen ihr Tretfahrzeug ab.
»Ach, Sie sind am Badsteg hängen geblieben«, sagte der Mann am
Verleih grinsend, als er den Schwan wieder an die Kette legte. »Das passiert
regelmäßig, wenn die Leute nicht aufpassen. Wir haben doch eigens ein
Warnschild am Ufer montiert.« Er tätschelte dem Schwan bedauernd über den Kopf
und den großen orangefarbenen Schnabel. »Böse, böse Bootsfahrer. Haben sie dir
wieder wehgetan?«
»Ist ja gut«, sagte Morgenstern und streichelte den Schwan nun
ebenfalls. »Armer, armer Vogel. Lassen sie dich den ganzen Winter über an
deiner Kette in der Altmühl hängen, sogar wenn das Hochwasser dich umwirft?«
»Ich sehe schon, der Herr ist ein Einheimischer«, sagte der
Verleiher.
Morgenstern protestierte nicht dagegen.
Eine Stunde später saßen Morgenstern und Hecht mit Elvira Ledermann
und Dragan Starcevic im Polizeipräsidium. Elvira Ledermanns Lebensgefährte war
ein großer, kräftig gebauter Mann mit Nussknackerkinn, dunkelbraunem,
gescheiteltem Haar und wachem Blick.
»Wie kommen Ihre Ermittlungen voran?«, fragte Elvira Ledermann.
»Ich antworte auf solche Fragen immer mit meinem Lieblingssatz: Wir
ermitteln in alle Richtungen«, sagte Morgenstern.
»Das heißt, Sie haben nichts in der Hand«, gab die Witwe spitz
zurück.
»Heißt es nicht«, konterte Morgenstern kühl. »Sonst hätten wir Sie
beide heute nicht einbestellt. Es gibt Dinge, die wir gerne klären würden.«
Dragan Starcevic lehnte sich auf seinem Stuhl ganz entspannt zurück,
als ob ihn das alles nichts anginge. Er trug einen schlecht sitzenden
dunkelblauen Anzug, dessen Jacke er gleich zu Beginn über die Stuhllehne gehängt
hatte. Nun löste er auch die Krawatte. Als er die Hemdsärmel hochkrempelte,
kamen auf den Unterarmen mehrere Tattoos zum Vorschein: Anker, Kreuze, ein
Drache.
»Hübsche Tätowierungen«, sagte Morgenstern, um den Serben aus der
Reserve zu locken. Als der darauf nicht einging, fragte er offensiv: »Wie war’s
denn so in Stadelheim? Wir haben ein bisschen in Ihrer Akte geblättert und
dachten, wir sollten uns mal mit Ihnen unterhalten. Ihre Partnerin war zwar bei
unserem ersten Treffen der Meinung, das wäre nicht nötig. Das sehen wir aber
anders.«
Starcevic sah Elvira Stadelmann mit einer Art Lächeln an. Das hieß
wohl »braves Mädchen«. »Was wollen Sie von mir wissen?«, fragte er. »Ich habe
eine weiße Weste, glauben Sie mir.«
»Glauben ist für uns keine Option«, sagte Morgenstern. »Grundsätzlich
nicht. Und ein Mann mit Ihrer Biografie ist immer einen Blick wert.«
»Das ist eine Gemeinheit«, sagte Elvira Ledermann empört. »Dragan
ist ein wunderbarer Mann.«
»Das kann aus Ihrer Sicht durchaus so sein«, sagte Morgenstern bedächtig.
»Ein wunderbarer Mann, aber einer mit Vergangenheit, nicht wahr? Wo stammen Sie
her, Herr Starcevic?«, fragte er.
»Aus Bosnien. Aber das wissen Sie doch längst.«
»Sie sehen für mich aus wie ein Mann, der Konflikten nicht aus dem
Weg geht.«
»Aus Prinzip nicht«, lautete die Antwort.
»Ich habe eine einfache Frage an Sie: Haben Sie damals, in Bosnien,
im Krieg, gekämpft?«
»Ja. Und ich bin stolz darauf.«
»Auf welcher Seite?«
Starcevic schüttelte ungläubig den Kopf, ohne seine entspannte
Körperhaltung aufzugeben. »Auf welcher Seite wohl. Sie wissen doch, dass ich
Serbe bin. Das haben Sie alles in ihren Papieren. Ich bin Patriot, serbischer
Patriot.«
Morgenstern entschied sich zum Frontalangriff: »Herr Starcevic: Wie
zerstört man im Krieg ein Haus, wenn man keinen Sprengstoff zur Hand hat?«
»Sie beide haben vermutlich keine Idee, was Krieg ist? Was er wirklich
bedeutet?«, fragte Starcevic zurück. »Und Sie halten mich für blöd. Ich habe
mit der Explosion in dieser Mühle nichts zu tun.«
»Sie haben unsere Frage noch nicht beantwortet«, sagte Morgenstern.
»Wie zerstört man ein Haus?«
Starcevic lehnte sich wieder zurück. »Sie brauchen nur eine Gasflasche.
Und Gasflaschen gibt es im ehemaligen Jugoslawien in jedem Haus. Die meisten
kochen mit Gas. Sie nehmen also diese Gasflasche, stellen Sie in ein
Weitere Kostenlose Bücher