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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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aber er stellte die Musik mit festem Blick auf mich einfach nur lauter. Und ich kraxelte die Leiter hinunter.
    Später legte ich mich in die Badewanne und schaute lange meine Hände an. Ich fragte mich, ob auch sie, wie Gesichter, manchmal innerhalb kurzer Zeit älter aussehen könnten.

Wendland – Uffizien
    Am nächsten Tag erzählte Wiebke Falk und mir beim Frühstück, dass Klaus morgen wieder eine Dienstreise antreten werde.
    »Kann er Kekse mitbringen«, meinte Falk, und Wiebke warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. Ich merkte, dass es ihr schlecht ging.
    »Wohin geht’s denn?«, fragte ich schließlich leise.
    »Wieder ins Wendland«, gab Wiebke leise zurück.
    Falk und ich sahen uns an. »Wa s – ist– los?«, fragte Falk mit Roboterstimme.
    Wiebke spielte eine Weile mit ihrem Seidenschal, dann begann si e – bei Adam und Eva. Sie fing mit der Zeit an, in der Klaus und sie nach Berlin gezogen waren. Immerhin gab es ein paar Details, von denen wir bisher nichts wussten. Zum Beispiel dieses: Der alte Knilch, Wiebke ging dieser Ausdruck wie selbstverständlich über die Lippen, hatte Klaus damals enterbt, als Wiebke und er un s – Falk und mic h – nicht taufen ließen. Aber Klaus’ Mutter fand das so ungerecht, dass sie Klaus einige Dinge aus ihrer Familie unter der Hand schenkte. Darüber regten sich die anderen Geschwister auf, die meinten, Klaus hätte mit seinem ewigen »Ich mache alles anders« das fetteste Stück der Torte abbekommen. Was das denn für Sachen gewesen seien, die die Rund-Oma Klaus gegeben hatte, wollte Falk wissen. Wiebke tat so, als könne sie sich nicht erinnern, vielleicht wusste sie es wirklich nicht mehr genau: »Silbe r …«
    Falk guckte beklommen. Wiebke redete weiter. Wie wir zur Welt kamen, Klaus und sie beide arbeiten gingen und deshalb ein schlechtes Gewissen gehabt hätten. Wie bestürzt sie gewesen seien, als ich als erstes Wort »oof« (Hof) gesagt hätte und nicht etwas »Klaus«- oder »Wiebke«-Ähnliches. Allerdings hatte meine Mutter etwas überzogene Ansprüche. Welches Baby sagt schon von heute auf morgen »Wiebke«. Da hatten es konventionelle Mamas leichter.
    Wiebke klagte weiter: Wie Anna und andere Freundinnen sie darin bestärkt hätten, einen Beruf auszuüben, und sie Klaus vorgeschlagen habe, ein Jahr auszusetzen und Hausmann zu spielen, und wie bald bei seinen beruflichen Anforderungen klar geworden sei, dass das eine Schnapsidee war.
    Nun legte Falk Wiebke einen Arm auf die Schultern. In seltenen Fällen tat er so etwas. »Mein Gott, so schlimm ist doch auch alles nich t … Oder findest du, wir sind total missraten?«
    Tatsächlich schien Wiebke eine Weile über diese Frage nachzudenken. Dann regte sie sich auf einmal sehr auf: Wie intolerant ihre Mutter sei, wie wenig sie sich von ih r – abgesehen von den Lebensmittelpaketen »aus dem Westen « – unterstützt gefühlt hätte, andere Mütter kämen öfter zu Besuch, nur Helene habe sie so behandelt, als müsste sie zur Strafe für ihren Umzug nach Berlin mit so einem Spinner wie Klaus allein zurechtkommen. Aber dann erzählte Wiebke, wie Helene ihr, als sie gerade das Abitur gemacht hatte, eine sechswöchige Skandinavienreise geschenkt und ihr damit einen der schönsten Urlaube ihres Lebens ermöglicht habe. Die Wahl ihrer Studienfächer, letztendlich ihren Beruf, hatte Wiebke dieser Reise zu verdanken. Mir dämmerte, dass Wiebkes Verhältnis zu Helene verzwickter war, als ich es bisher ahnte. Sie fand ihre Mutter nicht nur grässlich, sondern war sehr unglücklich darüber, dass Helene sie nicht ernst zu nehmen schien.
    »Und was ist mit dem Wendland?«, fragte Falk. Wiebke hatte schon eine Stunde lang lamentiert, doch dieser Name war kein einziges Mal mehr gefallen.
    Meine Mutter machte eine abfällige Handbewegung: »Ach, das ist alles nicht so heiß, wie es gekocht wird.« Das Sprichwort hatte ich anders im Ohr, aber ich wollte nicht rechthaberisch sein.
    Wiebke wiegte den Kopf, redete dann aber spontan in ihrem üblichen unzusammenhängenden Stil weiter. »Klaus hat sich von Herrn Specht ins Wendlan d – ihr wisst schon, dort leben ja viele Künstler, auch ein paar mi t … merkwürdigen Idee n – also einladen lassen in dessen merkwürdige Hütt e, ohne Strom und so, so eine Selbsterfahrungshütt e – meine ich, weil er mit ihm ein Buch über Kunstmanifeste im zwanzigsten Jahrhundert herausbringen will, also mit dem Spech t … Dazu will er selber noch einen Essay schreiben über Kunst

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