Hausers Zimmer - Roman
Flieg e – trug. Dazu trugen beide ihre langen Haar e – grauweiß und hellblon d – offen.
Warum sollte der Hauser eigentlich zu alt für mich sein?
Olksche Schandtaten – Regen in Berlin
Auf unserem Schulweg kamen Fiona und ich natürlich nach wie vor zweimal täglich an der Apotheke vorbei. Fast immer, wenn ich mich dem großen roten A näherte, wechselte ich die Straßenseite. Wenn Herr Adán mich auf der Straße entdeckte, würde er mich sicher zu sich hereinwinken.
Fiona wunderte sich über meine Ausweichmanöver, aber ich hatte ihr erklärt, Herr Adán sei »scharf« auf mich, was sie, nach Isas Sticheleien, fraglos akzeptierte.
Doch wenn wir an der Apotheke vorbeieilten, fragte ich mich, was Herr Adán wohl von mir gedacht hatte in den letzten Wochen. Ich versuchte mich von außen zu sehen: Das Mädchen mit dem Peace-Button und dem Amnesty-Sticker an der Jacke, das behauptet hatte, Patagonien zu kennen. War ihm alles peinlich, hatte er vielleicht Sehnsucht nach mir? Fühlte er sich von irgendetwas befreit? Wie sollte ich das herausfinden? Wollte ich das herausfinden?
Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich einen Bogen um Herrn Adán und sein zerstörtes Leben machte, merkte aber, dass es mir besserging, je schneller ich mich von der Glastür mit der melancholischen Klangfolge und dem Geruch nach Medizin und Krankheiten entfernte.
Klaus war aus dem Wendland zurückgekommen; er wirkte nicht anders als vorhe r – möglicherweise hatte ihm der Kurzausflug und der Abstand zu Wiebke sogar gutgetan. Er brachte Wiebke einen hellblauen Frotteerock mit, auf dem hellgrüne Äpfelbäume mit dicken roten Äpfeln gedruckt waren. Wiebke zog ihn gleich an. Wir bekamen Schokolade, Falk eine rote, ich eine schwarze Ritter Sport. War das Absicht?
Später machte ich einen Ku’dammspaziergang bis zum Olivaer Platz. Überall standen Trauben von Menschen herum. Vor einem Café stand eine von Kopf bis Fuß in Babyfarben gekleidete Frauengruppe und vollführte den Ententanz zu Pass the Dutchie . Als ich auf dem Rückweg an »unserer« Peepshow vorbeikam, humpelte tatsächlich Herr Knecht hinter dem Plastikvorhang hervor. Er nickte mir ganz automatisch z u – nicht anders, als wenn ich ihm im Treppenhaus unserer Schule begegnet wäre.
Unserem Haus hörte ich schon von Weitem: Vom Hauser schallte Rock’n’ Roll Ain’t Noise Pollution von AC / DC in dem Titel deutlich widersprechender Lautstärke über den Hof, worauf die Pechs keine zehn Sekunden später mit Jap dadel dip, dadel dup dadel von Gottlieb Wendehals antworteten. In meinem Zimmer angekommen, stellte ich Ich kann nicht schlafen von Ideal an. Bis Klaus bei mir vor dem Matratzenlager stand: »Ich kann nicht arbeiten!«
Drei Tage später wurde das größte innenpolitische Debakel des Jahres 1982 offenkundi g – die FDP -Minister Genscher, Baum, Lambsdorff und Ertl traten zurück und kündigten die Koalition mit der SPD , durch ein Misstrauensvotum sollte Kanzler Schmidt gestürzt und damit der Weg zu Neuwahlen bereitet werden. Für Wiebke und Klaus war das eindeutig ein Zeichen einer Weltverschwörung. Zumindest einer deutschlandweiten Verschwörung. Schon im letzten Jahr hatte der konservative Weizsäcker den sozialdemokratischen Dietrich Stobbe in Berlin abgelöst, nun drohte die nächste sozialdemokratisch bestimmte Ära zu Ende zu gehen. So Unrecht sollten sie gar nicht haben, denn mit dem sich nun ankündigenden Wechsel von Helmut zu Helmut sollten sechzehn Jahre Kohl folgen. Und damals gab es noch ernsthafte Unterschiede zwischen einer sozialdemokratischen und einer konservativen Regierung.
Berlin war ’81 »gefallen«, wie Wiebke einmal voller Pathos zu Anna sagte, Deutschland »fiel« ein gutes Jahr später, in diesem Herbst ’82.
Als ich in den Hof lief, um noch eine Runde allein Fahrrad zu fahren, war der Grottenolk gerade damit beschäftigt, einen schönen alten Globus mit giftgrüner und pinker Farbe anzusprayen. Kurz spürte ich Rettungsimpuls e – ähnlich wie Wiebke, wenn sie Fotos von niedergeknüppelten Robbenbabys oder mit vom Waldsterben bedrohten Bäumen sah, doch dann schritt ich standhaft weiter, ich würde diesen Planeten nicht retten können, nicht mit einem Kampf gegen einen Olk, doch ich drehte den Kopf zur Seite, um mir wenigstens das schreckliche Bild nicht noch einzuprägen. Neben mir hörte ich es zischen und roch schon die Farbe. Wer weiß, welches Land Herr Olk da gerade versenkt hatte. Ich sah aus den Augenwinkeln,
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