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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Olk hob eine Säge auf und überlegte vielleicht gerade, ob er sie in die Sprungfedern des Kinderbetts rammen sollte, um seiner Installation zusätzliche Dramatik zu verleihen), Klaus stand vor der Brandmauer und machte ein Foto von einer Zeichnun g – einer Weizsäcker-Karikatu r –, die jemand mit Schablone an die Wand gesprayt hatte. Und Serife und Filiz rauchten heimlich. Bis » Serife, Filiz! Hadi artık, yemek sog ˆ uyacak! « erklang. Dann drückten sie schnell ihre Zigaretten aus, schoben sich Kaugummi in den Mund und stiegen durch die verfaulten Latten nach draußen auf die Straße. Direkt vor dem Rattenloch stand Herr Pech und notierte sich die Nummernschilder von Falschparkern.
    Auf dem Rückweg lief ich in Herrn Adán hinein, der gerade den Apothekenfahrradständer ins Ladeninnere holte, um dann abzuschließen. »Guten Abend, Fräulein Zürn. Wie geht’s?«
    »Guten Abend!« Ich war noch außer Atem.
    »Wollen wir uns einen Moment unterhalten?« Er öffnete die Tür mit erstaunlich entschiedener Geste.
    Ich traute mich nicht, nein zu sagen. Vorsichtig betrat ich hinter Herrn Adán den lichtlosen Raum. Meine Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit. Wie auf einer sich schnell entwickelnden Fotografie tauchten all die Töpfe und Tiegel, die Fläschchen und Flaschen in den altmodischen Regalen auf. Bis zur Decke reichten sie.
    Als ich hörte, wie Herr Adán den Schlüssel im Schloss hinter mir zudrehte, fuhr ich zusammen. Im nächsten Moment dachte ich, dass Herr Adán doch ein guter Mensch war und dass er mir sicher nur wieder etwas Privates erzählen würde. Etwas über seine Heimat und warum er in Deutschland lebte.
    »Du erinnerst dich, ich wollte dir etwas Besonderes zeige n …«, sagte er und sah mich aufmerksam an.
    »Wieso duzen Sie mich jetzt?«, fragte ich.
    »Entschuldige, das muss an dieser Situation hier liegen.«
    Wir standen ziemlich nah voreinander. Ich betrachtete sein Gesicht, die Adlernase, die eng zusammenstehenden Augen, den erstaunlich weich wirkenden Mund. Irgendetwas an ihm zog mich an, und irgendetwas an ihm stieß mich a b … Was ich wohl täte, wenn er mir jetzt eine Han d … Ich musste auf einmal an Wiebke und Klaus denken. Sie würden es überhaupt nicht gut finden, dass ich hier im Dunkeln mit Herrn Adán stand.
    »Komm«, sagte Herr Adán und legte eine Hand auf meine Schulter. Er nahm sie nicht weg, während er mich weiter nach hinten aus dem Verkaufs- in den Lagerraum schob. Seine große Hand lag auf meiner Schulter. Ich konnte nicht sagen, ob sie mir unangenehm oder angenehm war. In der Glasscheibe einer Schiebetür sah ich unsere Gesichter gespiegelt. Herrn Adáns Schnauzbart war so breit wie meine Stirn.
    »Warum können wir uns nicht vorne unterhalten?«, fragte ich plötzlich.
    »Nein, nein, wenn das dann jemand von der Straße sieh t …« Herr Adán wirkte ängstlich.
    »Wi e … was?«, fragte ich harmlos nach und fasste mir im nächsten Moment für meine Naivität an den Kopf. Der will dir an die Wäsche, dachte ich. Scheiße, will ich das? Nein. Oder?
    Ich suchte mit meinen Fingern den Lichtschalter. Endlich hatte ich ihn ertastet. Schneller als ich denken konnte, lag Herrn Adáns weiche Hand auf meiner. »Ich lasse das Licht aus«, sagte er.
    »Warum?«
    »Damit du dich nicht zu sehr erschrickst.«
    Wie konnte ich nur so blöd sein und diese Situation nicht vorausahne n – was sollte ich jetzt bloß machen? Ich starrte auf den Tisch, auf dem eine lange Schere und ein Stück Mullbinde lag.
    Aber Herr Adán machte keine Anstalten, mich zu berühren, geschweige denn mich auszuziehen. Er entfernte sich vielmehr, sortierte sogar kurz mehrere Akten, murmelte etwas in sich hinein.
    »Guck mal, das ist meine Frau«, er deutete auf ein Foto, das zwischen einem Heilkräuterkalender und einem Erste-Hilfe-Poster ein wenig schief an der Wand hing. Offenbar wollte er mich vernaschen, aber vorher klarstellen, dass es nur für einmal sein würde.
    Herr Adán stand auf und zog sich vor mir sein Hemd über den Kopf. »Komm näher, ich muss sie dir zeigen.«
    Wen oder was meint er mit »sie«? Ich sah im Dunkeln die Furchen auf seinem Rücken. Da gab es Täler, Kuhlen, Striche und Linien wie die Spur von einem Tausendfüßler. Sein ganzer Rücken war mit Narben, Verkrustungen, Zigarettenbrandstellen übersät.
    Ich war auf einmal sehr froh, dass es so dunkel war.
    »Hattest du als Kind Angst vor Monstern? Hat man dir gesagt, dass es so etwas nicht gibt? Es gibt si

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