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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Fruchtgummis von einem Drehständer und drückte sie mir in die Hand. »Für dich.«
    Wieder sah ich zu all den Töpfen und Tiegeln hinauf. Herr Adán hätte sich bestimmt umbringen können mit einem dieser Mittelchen, aber er hatte es nicht getan.
    Zu Hause konnte ich nicht schlafen. Ich hockte mich in Klaus’ verqualmtes Denkzimmer und starrte Löcher in die Wand. Als es um halb fünf morgens dämmerte, lief ich aus der Wohnung; wenige Minuten später stand ich im Rattenloch. Ich spürte sofort, wie die Feuchtigkei t – auf dem morastigen Grundstück war es immer feuch t – durch meine Leinenturnschuhe drang, bald waren meine Zehen nass, es machte mir nichts aus. Aufgewühlt lief ich im Rattenloch auf und ab.
    In der frühen Morgensonne blitzten überall Glasscherben auf und blendeten mich. Die Ratten schienen von funkelndem Tafelsilber zu speisen. Ein neues Farbei war an das Bullen verpisst euch geworfen worden, eine gelbe dicke Träne rann die Brandmauer herab und war in diesem nicht enden wollenden Weinen erstarrt.
    Ich blieb lange mit angezogenen Knien im Rattenloch sitzen.
    In den nächsten Wochen zog ich mich zurück, die Sonne, die Helligkeit passte nicht zu meiner Stimmung. Ich wollte nicht mit Fiona ins Lochow, nicht mit Falk im Dachgärtchen sitzen, nirgendwohin. Manchmal krabbelte ich, wie früher, zu Wiebke aufs Himmelhochbet t – es war gemütlich dort, weil sie so schön rund war und weil hier oben andere Sitten herrschten als unten in der Wohnung. Hier oben schnabulierte Wiebke Pralinen und las schlechte Frauenmagazine, die auch ich durchblättern durft e – alle Prinzipien und Vorsätze, die »unten« galten, ließ Wiebke an ihrem Lieblingsort außer Acht. Nur gelegentlich nutzte sie die gemütlichen Momente, um mit missionarischem Eifer zu einem ausschweifenden Vortrag über irgendein Meisterwerk der Kunst oder eine haarsträubende Ungerechtigkeit in der Welt anzusetzen, dann tat ich immer schnell so, als sei ich eingedöst. Schließlich verstummte Wiebke, und bald hörte ich es rascheln und wusste, meine Mutter war wieder ganz in eine Frauenzeitschrift vertieft.
    Die Tage vergingen. Isa schrieb aus Düsseldorf, Fiona ging mit unseren Klassenkameraden in Cona n – Der Barbar . Ich legte zu Hause nach der Schule ein 5000-Teile-Puzzle von einer Eisscholle mit einer Gruppe Kronenpinguinen. Das Puzzle war sehr schwer. Falk machte sich nur anfangs über mich lustig. Parallel dazu legte ich ein 10.000-Teile-Puzzle vom Himalaya und kämpfte mich tagelang verbissen durch das Schneegestöber am Mount Everest. Oft stand ich nachts an meinem Fensterbrett und starrte auf das orangefarbene Fensterviereck schräg unter mir und hatte das Gefühl, es sei ferner, unerreichbarer als je zuvor.
    Ende August herrschte schlagartig Hochstimmung bei The Wiebkes and the Klauses, und nicht nur bei ihnen: Greenpeace war es gelungen zu verhindern, dass der niederländische Frachter Scheldeborg vor Kap Finisterre im nordspanischen Galizien Atommüll entladen konnte. Das war aus Sicht von meinen Eltern und deren Freunden ein mutmachendes Ereigni s – in diesen Zeiten der unangreifbaren Supermächte, in denen der Einzelne immer weniger Möglichkeiten zu haben schien, sich persönlich für oder gegen etwas stark zu machen, ein Zeichen dafür, dass man gegenüber sehr starken Interessensgruppen wie der Atomlobby nicht ohnmächtig war, ein Ereignis, das noch glauben ließ, es gäbe greifbare »Feinde« des Guten, denen man sozusagen von Angesicht zu Angesicht begegnen könnte. Anna veranstaltete eine Spontanparty, zu der Wiebke und Klaus eingeladen waren.
    Nachts, wenn ich in meinem Bett lag, musste ich oft an Herrn Adán denken. In manchen Momenten hasste ich ihn. Dann wiederum hatte ich ein schlechtes Gewissen, dass ich ihn seit der Begegnung in der Apotheke nie mehr besucht hatte.
    An einem Septemberabend kroch ich zu Falk aufs Hochbett. Ich konnte ihn überreden, die Byrds -Platte Fifth Dimension anzustellen. Eigentlich wollte ich über mein merkwürdiges Erlebnis mit Herrn Adán sprechen. Ich beobachtete meinen Bruder, wie er mit gerunzelter Stirn an seinem verdammten Zauberwürfel hantierte, und brachte kein Wort hervor.
    Falk ließ sich tatsächlich noch zu einigen lobenden Sätzen über die psychedelischen Momente dieser »ansonsten etwas soften Scheibe« hinreißen, dann ging seine neueste Mixkassette mit Joy Division , Die Haut und The Cure los. Ich wartete, ob er seine scheuchenden Handbewegungen machen würde,

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