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Haushaltsschnecken leben länger

Haushaltsschnecken leben länger

Titel: Haushaltsschnecken leben länger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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habe ich mir sagen lassen, kann die wahre Hölle sein.
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    Ohne grüne Katze keine Farbharmonie
    Ich blättere gern in Journalen, die sich mit erlesener Innenarchitektur befassen. Klappe ich sie dann zu, schaue ich mich in meiner Behausung um und bin unheimlich unzufrieden mit dem, was ich da sehe.
    Meine Einrichtung hat keinen »Pfiff«, mein Mobiliar hat keinen »Stil«, nicht einmal meine »ganz persönliche Note«
    kommt durch mein Inventar zum Ausdruck.
    Am Geld allein kann das nicht liegen. Die Mitarbeiter der Wohnzeitschriften beweisen mir mit Preisangaben, daß man sich auch »mit schmaler Börse« sehr originell, praktisch und preiswert einrichten kann. Etliche Möbelstücke, die bei mir ungeliebt herumstehen, haben mehr gekostet, als die
    Wohnredakteure in zwei urgemütlich ausstaffierte Zimmer investieren.
    Hin und wieder entdecke ich in so einer Zeitschrift sogar ein Möbelstück, das ich selbst besitze und merke vergrämt, daß es bei mir zu Hause bei weitem nicht so prächtig wirkt wie auf dem Journalfoto.
    Schön langsam komme ich auch dahinter, warum das so ist.
    Mir geht der richtige Farbensinn ab. Ich wohne nicht
    farbharmonisch durchgestylt! Ich kapiere das »Ton-in- Ton-Wohnen« nicht.
    Dabei exerzieren es mir die einschlägigen Magazine doch immer wieder vor: Entschließt man sich, einen Raum in Grün zu halten, muß man dabei bleiben! Ist die Couch grün, haben die Kissen auf ihr in Grüntönen zu schillern, und die Vorhänge müssen grüngemustert sein. Und ein grünes Bild muß an die Wand. Und eine grüne Decke über den Tisch!
    Bis zu diesem Punkt bin ich ja fähig, den guten Vorschlägen nachzueifern. Doch dann versaue ich mir die grüne Pracht, weil ich, total geschmacklos, rote Äpfel und gelbe Bananen in einer
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    blauen Schüssel auf den grünen Tisch stelle und meine graue Strickerei auf der grünen Couch deponiere und rosa Tulpen in einer lila Vase arrangiere.
    Nicht einmal meine Katzen färbe ich grün ein! So kann
    natürlich keine Farbharmonie zwischen meinen vier Wänden entstehen! Aber selbst mit resedagrünen Katzen, Granny-Smith-
    Äpfeln, Anjou-Birnen, lodengrüner Strickerei und Artischocken in der Vase wäre das Problem nicht gelöst, denn ich habe vierzig Laufmeter Bücher an einer Wand des »grünen Zimmers«. Und diese Bücher haben Rücken in allen Regenbogenfarben.
    Ich möchte wirklich wissen, wie es die Wohnredakteure
    schaffen, eine Wand voll Literatur - wenn auch nur fürs Foto - in total Grün aufzutreiben. Lesen, allerdings, möchte ich diese Bibliothek nicht.
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    Es gibt Menschen
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    Haushaltsschnecken leben länger
    Manchen Leuten geht die Haushaltsarbeit leicht und
    blitzschnell von der Hand. Die meisten Haushalter befleißigen sich eines durchschnittlichen Arbeitstempos, und dann gibt es noch die Gruppe von Haushalt führenden Personen, die im Schneckentempo vor sich hin- und herwerkelt.
    Ich, die ich mich zur mittleren, zur Gruppe mit dem
    durchschnittlichen Tempo zähle, bewundere die Haushalts-Stachanowisten enorm, denn trotz vieler Versuche habe ich es nicht erlernt, das Zwiebelhäuptel so schnell wie der Fernsehkoch in allerkleinste, allerregelmäßigste Würfelchen zu zerlegen.
    Und meiner lieben Mutter lockerer Ausspruch: »Eine
    Biskuitroulade ist praktisch, die hat man in zwölf Minuten fertig!« verfolgt mich höhnend bei jeder
    Biskuitrouladenerzeugung - gut eine halbe Stunde lang.
    Nicht minder bestaune ich aber die Haushaltsschnecken! Als solche bezeichne ich nicht die Personen, die die Arbeit in kurzen Abständen unterbrechen, um sich der Zeitungslektüre, einem Telefongespräch, einer Tasse Kaffee oder sonst einer
    ansprechenden Beschäftigung zu widmen, denn das sind einfach Leute, die sich das Leben so angenehm wie möglich machen; und das ist eine Haltung, die Respekt verdient.
    Haushaltsschnecken sind Personen, die andauernd
    haushälterisch tätig sind und trotzdem nichts weiterbringen.
    Die Zeit, in der die Stachanowisten ein Kilo Erdäpfel von der Schale befreien und die Durchschnittlichen ein halbes Kilo, verbringen sie seufzend mit einer Knolle.
    Und Biskuitrouladen können sie überhaupt nicht erzeugen, weil diese warm aufgerollt werden müssen. »Das geht ja gar nicht«, sagte mir eine Schnecke kopfschüttelnd, »während man die Marmelade aufstreicht, wird das Biskuit doch kalt!«
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    Die Blitzschnellen und die Durchschnittlichen machen sich gern lustig über die Schnecken in ihrem Bekanntenkreis. Das sollten sie

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