Haushaltsschnecken leben länger
die menschliche
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Psyche geht, scheint zwischen Ursache und Wirkung kein sehr geradliniger Zusammenhang zu bestehen.
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Von Bröslern und Männchenmalern
Es gibt Menschen, die stehen ein geselliges Beisammensein anscheinend nur durch, wenn sie dabei einer
Nebenbeschäftigung nachgehen können. Während sie reden oder zuhören, müssen sie ihre Hände beschäftigen.
Die simpelste Art von Nebenbeschäftigung ist das Zeichnen.
Findet einer dieser Menschen einen Kugelschreiber oder einen Bleistift, beginnt er zu arbeiten. Männchen, Häuschen, Gartenzäune, Bäumchen, was der des Zeichnens Unkundige halt so schwer zuwegebringt, wird auf Papierservietten,
Bieruntersetzer oder Zeitungsränder gemalt.
Die Männchenmaler, so man sie als Gäste geladen hat, sind die, die kaum Arbeit machen. Mehr als ein hinterher leicht wegzuschaffender Haufen verkratzelter, verkritzelter Servietten kosten sie nicht.
Viel problematischer aber sind die Leute, die ich die»Brösler«
zu nennen pflege. Gierig grapschen sie nach allem, was auf dem Tische liegt und zerbröselt werden kann. Flaschenkorken, Streichhölzer, Zahnstocher werden von ihnen auf winzige Partikel zerlegt und dann artig arrangiert.
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Während Freundin Adi angespannt ihrem Ehemann lauscht, macht sie aus Korkenbröseln ein Häuflein, macht dann aus dem Häuflein einen Miniwall, sucht nach Materialnachschub, zerbröselt noch einen Korken, verlängert den Miniwall zu einer Korkenbröselstraße, ist mit dem Verlauf der Straße nicht zufrieden und arrangiert um, und wenn man ihr dabei zuschaut, muß man annehmen, nichts auf der Welt ist ihr im Moment wichtiger als ihr Korkenbröselspiel.
Aber noch irritierender sind die Leute, die aus Bierdeckeln Häuser bauen und das nicht wirklich gut können! Erkläre einmal einer einem die Weltlage, der andauernd nur »pscht!« murmelt, weil er Angst hat, der Atem, den der Weltlageerklärer empört ausstößt, könne den Bierdeckelturm zerstören.
Am meisten jedoch fürchte ich mich vor Leuten, die in Wachs arbeiten. Ihre Augen fangen schon zu glitzern an, wenn die sehen, daß der Gastgeber eine oder mehrere Kerzen am Tische entzündet hat.
Sie setzen sich an den Platz, der den Kerzen am nächsten ist, und sind vollauf damit beschäftigt, tropfendes Wachs
einzusammeln. Und dann kneten und formen sie. Und wenn sie
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endlich weggegangen sind, hat man ein Tischtuch, dem auch die Neunzig-Grad-Wäsche nicht mehr helfen kann.
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Katzen und Menschen
Leute, die Katzen nicht mögen, werden mit folgenden Zeilen nichts anzufangen wissen, aber Katzenliebhaber werden mein Problem verstehen. Es geht um dieses:
Meine zwei Katzen sind ernste, erwachsene Katzendamen. Sie verbringen ihr Leben außer Haus, auf Mäusejagd. Nach Hause kommen sie nur, um zu fressen und um sich von den Strapazen der Jagd zu erholen. Stundenlang ruhen sie dann, hinreißend schön anzusehen, im Tiefschlaf. Aber kaum lasse ich mich irgendwo zu einer Tätigkeit nieder, bei der ich eine Katze wirklich nicht brauchen kann, erwacht eine Katzendame, gähnt, streckt sich und kommt dann zu mir.
Schlage ich auf dem Tisch eine Zeitung auf, springt so ein Biest auf den Tisch und setzt sich auf die Zeitung, haarscharf auf den Artikel, den ich lesen will. Bescheide ich mich und lese einen anderen Artikel, einen, der nicht vom Katzenhintern verdeckt ist, rückt das Vieh nach und schiebt sich über die Zeilen, die ich nun lese.
Auch wenn ich mich mit einer Näharbeit hinsetze, wieselt sofort eine Katze herbei, mauzt, springt mir in den Schoß und schert sich nicht darum, daß sie auf Nähnadel, Faden und Werkstück landet, mich am Arbeiten hindert.
Manchmal ist es den Biestern nicht einmal zu dumm, sich quer über meine Schreibmaschine zu legen, obwohl man ihnen
ansieht, wie unbequem sie dort liegen.
Wenn eine Katze derart lästig ist, ergreife ich sie und stelle sie auf den Boden. Worauf das Vieh wieder springt und ich es wieder ergreife und das Vieh wieder springt. Das spielen wir so lange, bis es mir zu dumm wird und ich von Zeitung oder Näharbeit ablasse und der Katze streichelnde Zuwendung gebe.
Mein Problem ist nun, warum ich den Katzen trotzdem nie gram werde und ihnen kein bißchen grolle. Würde mich ein
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menschliches Wesen derart belästigen, ich wäre stinksauer. Daß ich Katzen mehr liebe als Menschen, kann nicht der Grund sein.
So bin ich nicht.
Der Grund muß sein, daß ich von Katzen nichts erwarte. Die sind halt so, sage ich
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